Dorsten
Die Gleichstellungsstelle der Stadt Dorsten, Vera Konieczka, blickt auf viele Erfolge in der Frauenförderung in der Stadt zurück.
Vera Konieczka, Gleichstellungsbeauftragte für Dorsten.Foto: Privat - Stadt Dorsten

Der Internationale Frauentag – Frauen in Dorsten

Ein Gespräch mit Vera Konieczka, Dorstens Gleichstellungsbeauftragter seit 1986

Dorsten -

Am 8. März feiert die Welt jedes Jahr den Internationalen Frauentag. Wie sieht die Gleichbehandlung in den Städten aus?

Seit gut 35 Jahren arbeitet Vera Konieczka als Gleichstellungsbeauftragte für die Stadt Dorsten und berichtet von einigen Veränderungen, die sie nicht nur miterlebt, sondern an denen sie aktiv mitgewirkt hat. „Unsere städtische Feuerwehr beschäftigt mittlerweile auch eine Feuerwehrfrau und eine zweite steht bereits in den Startlöchern. Die Brandmeisteranwärterin hat alle Hürden gemeistert und wartet nur noch auf den Beginn ihrer Ausbildung“, freut sich Vera Konieczka. Auch im Rettungsdienst habe sie eine schöne Entwicklung festgestellt: „Mittlerweile haben hier auch viele Rettungssanitäterinnen. Das war früher auch noch nicht so.“

Auf diese und weitere Erfolge in den vergangenen Jahrzehnten blickt Vera Konieczka stolz zurück. Vor allem die Tendenz zu mehr Frauen in Führungspositionen der Stadtverwaltung freut sie. „Nina Laubenthal war eine der ersten Frauen, die eine Amtsleitung in Dorsten bekleidete. Mittlerweile ist sie die Erste Beigeordnete der Stadt und Stellvertreterin von unserem Bürgermeister Tobias Stockhoff.“

Die Geschichte von dem Schwesternwohnheim

In ihrer beruflichen Laufbahn sind der Gleichstellungsbeauftragten aber auch skurrile Gegebenheiten begegnet, die auf einer veralteten Gesellschaft fußten und die niemand je hinterfragt hat. Bis sich Vera Konieczka der Sache annahm. Sie berichtet von der Ungleichbehandlung von Frauen, die eine Ausbildung zur Krankenschwester am katholischen Krankenhaus in Dorsten beginnen wollten: „Es war jahrzehntelang so, dass sich Frauen zu verpflichten mussten, für die dreijährige Ausbildung zur Krankenschwester im Schwesternwohnheim zu leben. Kostenpflichtig, natürlich. Und dies auch, wenn sie nur wenige Straßen entfernt ein Zimmer im Haus ihrer Eltern hatten. Das Entgelt für das Zimmer wurde von der Ausbildungsvergütung abgezogen. Als sich die ersten Männer für genau dieselbe Ausbildung bewarben, mussten sie aber kein Zimmer im Wohnheim nehmen. Das heißt nicht nur, dass junge Frauen gezwungen waren, aus ihrem Zuhause ausziehen zu müssen, sondern dass sie am Ende ihrer Ausbildung rein rechnerisch auch weniger Geld zur Verfügung hatten als Männer. Es waren gut 200 Euro im Monat, die Frauen an Miete zahlen mussten, Männer aber nicht. Sie konnten das Geld behalten.“ Der Vater einer Auszubildenden habe sich damals bei Vera Konieczka gemeldet und ihr den Sachverhalt geschildert. Seit 2013 sei die Situation anders und Frauen nicht mehr verpflichtet, im Wohnheim zu leben. „Meine Argumentation habe ich schon damals auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gestützt, das sich eben darum kümmert, dass keines der Geschlechter benachteiligt wird. Denn gerade in diesem Fall ist ja offensichtlich, dass man hier nicht gerade von Gleichbehandlung sprechen kann“, erzählt sie weiter. Nicht nur junge Frauen waren von der Regelung betroffen. Eine Arbeitskollegin erzählte Vera Konieczka, ihre Mutter habe viele Jahre zuvor als glücklich verheiratete Frau im Alter von 40 Jahren und mit einer bereits erwachsenen Tochter eine Ausbildung zur Krankenschwester am Dorstener Krankenhaus beginnen wollen. Weil sie ins Schwesternwohnheim hätte umziehen müssen, entschied sie sich für die Ausbildung zur Krankenschwester in einer Nachbarstadt.

Die Gleichstellung im internen und externen Bereich

Die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten ist vielseitig. Gerade im internen Bereich ist sie beispielsweise stark in Personalauswahlverfahren involviert. „Ich bin bei jedem Personalauswahlgespräch der Stadt anwesend, sobald eine Auswahl zwischen Frauen und Männern zutreffend ist. Ich bin aber auch schon vorher bei der Ausschreibung und bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber dabei“, erklärt sie. Mittlerweile sei es vorgeschrieben, dass alle Bewerberinnen und Bewerber für eine Stelle den gleichen Fragenkatalog gestellt bekommen. „Denn auch hier gab es in den vergangenen Jahrzehnten Vorfälle, in denen Männern andere Fragen gestellt wurden als Frauen, obwohl sie sich für die gleiche Stelle beworben hatten. So wollte man versuchen, bestimmte Berufe für Frauen unattraktiver wirken zu lassen, damit sie selbst das Interesse an der Stelle verlieren“, hat Vera Konieczka beobachtet. Der Katalog abgestimmter, gleicher Fragen habe dieses Problem beseitigt. „Zum Schluss entscheide ich in engem Austausch mit dem jeweiligen Fachbereich darüber mit, welche Bewerberin oder welcher Bewerber die Stelle bekommen soll. Auch hier achten wir natürlich darauf, dass keines der Geschlechter einen Nachteil hat.“

Ihre Arbeit findet aber auch außerhalb der Angelegenheiten der Stadtverwaltung statt. „Ich biete Beratungen für Frauen an, die ungleiche Behandlungen am Arbeitsplatz feststellen oder auch häusliche Gewalt erfahren. Ich darf die Frauen zwar nicht rechtlich beraten, ich kann ihnen aber sehr wohl Info-Materialen und Broschüren zur Verfügung stellen, sodass sie wissen, welche Rechte sie haben. So wissen sie auch, an welche rechtswirksamen Stellen sie sich weiter wenden können.“

Wertvolle Tätigkeiten in Arbeitskreisen

Vera Konieczka ist Mitglied unter anderem in zwei Arbeitskreisen. Einer von ihnen ist der Arbeitskreis Gewalt gegen Frauen auf Kreisebene, in dem auch das Dorstener Frauenhaus mitarbeitet. In einem weiteren Arbeitskreis setzt sie sich für das Bekanntermachen der Möglichkeit einer Berufsausbildung in Teilzeit ein. „Das Berufsbildungsgesetz ermöglicht sei 2005 die Teilzeitberufsausbildung, 2019 wurde es geändert“, berichtet sie. Während vorher eine Berufsausbildung in Teilzeit bloß dann für ausgewählte Berufe möglich war, wenn die Bewerberinnen oder Bewerber entweder Kinder hatten oder pflegende Angehörige betreuen mussten, ist die Teilzeit-Option nun für alle ausgeweitet worden. „Wer sich bei uns bewirbt, muss noch immer den normalen Bewerbungsprozess bestehen. Danach aber können wir die Möglichkeit besprechen, ob die Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte in Voll- und Teilzeit geleistet werden soll. Das war ein großer Erfolg für uns“, freut sich die Gleichstellungsbeauftragte.

 

Passend zum Weltfrauentag am kommenden Montag (8. März 2021) erinnert sich Vera Konieczka an ihr „Baby“, wie sie sagt, zurück. „Damals, als ich bei der Stadt Dorsten angefangen habe, habe ich die Frauenkulturtage übernommen, als sie noch in den Kinderschuhen steckten, und seitdem ist es mein Projekt. Ich bin sehr stolz. Es ist ein großes Kooperationsprojekt und das älteste Frauennetzwerk in Dorsten. Gemeinsam überlegen wir hier zu einem Oberthema immer, welche Beiträge und Veranstaltungen wir leisten können.“

Auch wenn viele gewohnte Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag in diesem Jahr nicht stattfinden können, geht die Arbeit für die Gleichstellungsbeauftragte weiter. Langeweile kommt nicht auf. „Wir haben zwar schon vieles erreicht, aber am Ende sind wir noch nicht. Die Themen, um die ich mich kümmere, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar verändert, aber der Einsatz für Gleichbehandlung der beiden Geschlechter ist noch nicht vorbei“, betont Vera Konieczka.

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Julia Liekweg

Julia Liekweg

julia.liekweg@aureus.de

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