Gladbeck - Bunte Kinderzimmer verbergen sich hinter der grau-weißen Hausfassade an der Friedenstraße. Jedes individuell dekoriert mit Postern, Bildern oder Kuscheltieren. Doch die Geschichten, die in jedem dieser Zimmer stecken, sind traurig, oftmals auch schockierend.

Sieben Kinder zwischen sieben und 13 Jahren haben hier in der Intensivgruppe der Gemeinnützigen Jugendhilfe ein neues Zuhause gefunden. Kinder, die vom Jugendamt aus ihren Familien herausgenommen werden mussten, weil sie vernachlässigt wurden, Gewalt erfahren haben, in ihren Familien nicht mehr gut aufgehoben waren. Diese Kinder kommen nach Gladbeck, in das Haus der Intensivgruppe. Hier können sie ganz und gar Kind sein, auch wenn die meisten von ihnen das erst einmal lernen müssen.
„Unser erklärtes Ziel ist es, die Kinder in ihre Familien zurückzuführen“, sagt Sigfried Schmitz, pädagogischer Leiter und Geschäftsführer der Einrichtung. Eine Arbeit, die viel Einfühlungsvermögen, Geduld und vor allem Zuwendung erfordert. „Alle Kinder, die hier sind, haben schon Jugendhilfeeinrichtungen durchlaufen oder waren in der Psychiatrie“, erklärt Sigfried Schmitz. Die Eltern, die in den meisten Fällen noch das Sorgerecht haben, werden bewusst in die alltäglichen Abläufe integriert. „Die Eltern können ihre Kinder jederzeit besuchen und an den Wochenende haben die Kinder auch die Möglichkeit bei ihren Eltern zu übernachten. Denn wir wollen kein Ersatz für die Herkunftsfamilie sein, sondern eine Ergänzung und Begleitung.“ Doch viele der Kinder und Jugendlichen äußern immer wieder, wie glücklich sie sind, dass sie hier im Haus an der Friedenstraße sein dürfen. „Wir haben ein Mädchen im Haus, das zwei Jahre lang in einem Zimmer eingesperrt war. Der Vater war mit der Situation und der Erziehung vollkommen überfordert. Das Mädchen sagt ganz klar, dass ihr Zuhause die Intensivgruppe ist.“

Gegründet wurde die Intensivgruppe im Januar 2011. „Wir sind eine gemeinnützige Organisation, arbeiten dabei eng mit der Frühförderung hier in Gladbeck zusammen und können daher schnell und effizient auf Therapeuten wie zum Beispiel Logopäden zurückgreifen.“ Denn oftmals dauert es Wochen und Monate bis entsprechende herapie- oder Förderplätze gefunden werden können. „Und je länger es dauert, desto schwieriger wird es, Rückstände aufzuarbeiten“, weiß Siegfried Schmitz aus seiner langjährigen Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Sieben Mitarbeiter sind darüber hinaus für die Kinder da, die im Schichtdienst eine 24-Stunden-Betreuung garantieren. Sieben Monate haben die Mitarbeiter hier zuvor renoviert und aus den 280 Quadratmetern eine neue Heimat gemacht.
Viel Eigenintiative und Engagement waren dabei von Nöten. Jedem Kind wurde ein eigenes Zimmer mit Bett, Schrank und Schreibtisch eingerichtet. „Die meisten Kinder haben nie ein eigenes Zimmer besessen oder mussten es sich mit zwei oder drei weiteren Geschwistern teilen. Nun haben sie das erste Mal einen Ort, an dem sie sich zurückziehen können.“ Die Mädchen- und Jugen-Etage sind voneinander getrennt. Auf den Etagen gibt es ein Eltern-Gästezimmer. „Das ist aber wirklich nur für den Notfall gedacht“, sagt Siegfried Schmitz. Der Tagesablauf in der Intensivgruppe ist absolut strukturiert. Um 7 Uhr gibt es ein gemeinsames Frühstück, um 7.45 Uhr werden die Kinder und Jugendlichen zur Schule gefahren. Nach der Schule gibt es ein gemeinsames Mittagessen, von 14 Uhr bis 15 Uhr werdenHausaufgaben gemacht. Um 15 Uhr gibt es einen gemeinsamen Schulabschluss, dann treffen sich alle in der Küche und trinken einen Tee. Einmal in der Woche nutzt die gesamte Gruppe die Turnhalle in der Lambertischule. Einige Kinder sind außerdem in Vereine integriert. Um 18.30 Uhr steht Abendessen auf dem Programm, ab 21 Uhr ist Bettruhe. „Wir führen hier also ein geregeltes, normales Familienleben.“ Da gehen Freunde ein und aus und bleiben auch schon einmal über Nacht. Wichtig ist eben, dass die Kinder und Jugendlichen Konstanz erfahren. Als nächstes Projekt soll der Garten ausgebaut werden. Im Gemüsebeet könnte dann schon bald die erste Ernte anstehen.

Doch zuvor haben die Verantwortlichen noch in anderen Bereichen zu kämpfen. Immer wieder gehen in den Bürgersprechstunden Beschwerden gegen die Einrichtung ein. „Angeblich sind die Kinder zu laut, wenn sie draußen spielen“, sagt Siegfried Schmitz und muss mit dem Kopf schütteln. Eine Bußgeldandrohung ist gegen die Einrichtung erhoben worden. „Ich kann das nicht verstehen. Die Kinder haben in ihrem jungen Leben schon so viel Leid erfahren. Ich würde mir etwas mehr Verständnis wünschen.“ So wie von den Spendern aus Gladbeck und Umgebung, die das Konzept und die Arbeit an der Friedenstraße zu schätzen wissen und unterstützen. Denn das Projekt ist in dieser Form in NRW bislang einmalig. „Im vergangenen Jahr hatten wir 23 Anfragen, oftmals auch aus anderen Städten, denn manchmal muss ein Kind nicht nur aus seiner Familie herausgenommen werden, sondern am besten aus dem Umfeld selbst. Aber auch unsere Kapazitäten sind begrenzt. Daher wurden wir oft vom Jugendamt gefragt, ob wir nicht noch ein Haus mit gleichem Konzept einrichten könnten.“ Der Bedarf ist leider groß. Doch die Kassen sind leer.
Daher freute sich Siegfried Schmitz sichtlich über die Spende der Appeltatenmajestäten. Der Erlös aus dem Waffelverkauf beim Ostermarkt wurde für Sport- und Therapiematerial sowie Lernprogramme verwendet. Mit einem Frühstück bedankten sich die Betreuer im Namen der Kinder und Jugendlichen bei den Appeltatenmajestäten. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, erklärt Siegfried Schmitz. Wer die Gemeinnützige Jugendhilfe unterstützen möchte, der kann sich unter der Telefonnummer (02043) 6802261 oder auf der Internetseite www.gemeinnuetzige-jugendhilfe-gladbeck.de informieren. Das Spendenkonto bei der Sparkasse Gladbeck hat die Kontonummer 71003735 und die Bankleitzahl 424 500 40. gk