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Sekundarschule erhitzt die politischen Gemüter

Seit Monaten wird über die Sekundarschule und ihre Organisationsform debattiert – LebensArt hat die Parteien um Stellungnahme gebeten

Kirchhellen - Es brodelt momentan in Kirchhellen und dabei geht es nicht um den Bürgerentscheid zum Flugplatz Schwarze Heide oder aber das Thema Bergbau. Was die Kirchhellener, vor allem aber die politischen Lager, in Aufruh versetzt, sind die Diskussionen rund um das Thema Sekundarschule. Am Standort der heutigen Hauptschule soll diese neue Schulform entstehen. So weit so gut. Zu Diskussionen regt jedoch die Form der künftigen Schule an. Kooperativ, teilintegriert oder integriert – welche Organisationsform soll es für Kirchhellen sein? Was wünschen sich die Eltern? Und was ist das Beste für die Kinder? Schon in der ersten Sitzung der Bezirksvertretung in diesem Jahr kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Grundlage dessen war die Auswertung der Elternbefragung.
 

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Mit der Einschulung beginnt eine lange Schulzeit. Eltern wollen ihr Kind dabei natürlich auf die richtige Schule schicken.
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Dabei stimmten von den 1.940 befragten Eltern insgesamt 1.023 Eltern über die Organisationsform der Schule ab:

Schulform                Stimmen

integriert                    111
teilintegriert              125
kooperativ                 276
weiß nicht                 461
ohne Entscheidung   50

Klar wurde nach der Befragung, die Mehrheit hat noch keine Entscheidung getroffen. Betrachtet man die Abstimmung der einzelnen Organisationsformen jedoch separat, ergibt sich eine Mehrheit für die koopertaive Form. Die Vorbereitungsgruppe empfahl jedoch in ihrer Vorlage zur Bezirksvertretung die teilintegrierte Form. Jene Vorbereitungsgruppe setzt sich seit Monaten mit der Fragestellung nach der Organisationsform auseinander; gab dabei sowohl bei der Sitzung der Bezirksvertreter als auch im Rat der Stadt Bottrop ihre Meinung ab. Die Gruppe setzt sich zusammen aus elf Pädagogen ganz unterschiedlicher Schulformen. Die Fachleute erachten die teilintegrierte Form als besonders geeignet. „Die Vorbereitungsgruppe spricht sich aufgrund der organisatorischen Implikationen eindeutig gegen die kooperative und für die integrierten Organisationsformen aus“, heißt es in der Vorlage des Rates und genau diesen Standpunkt vertreten die Mitglieder auch schon im Januar bei der Sitzung der Bezirksvertreter in Kirchhellen.

„Wir sind damit nicht einverstanden“, sagte die CDUFraktion im Januar deutlich, „Wir sind der Meinung, dass der Wille der Eltern zählt.“ Das Ergebnis zeige eindeutig, dass die kooperative Form bevorzugt werden. Darüber entbrannte eine heftige politische Debatte, in der die Grünen die kooperative Form als „antiquiert“ bezeichneten. Die FDP wiederum rückte an die Seite der CDU und machte deutlich, dass die teilintegrierte Form nicht die richtige Organisationsform für eine Kirchhellener Sekundarschule sei. Die SPD hingegen sprach sich deutlich für eben diese aus.

So wurde sich nicht nur im Bezirk, sondern auch im Rat der Ball hin und her gespielt. Paul Ketzer, Erster Beigeordnete der Stadt, kommentierte die Diskussion im Bezirk mit den Worten: „Dafür kann man nur den Begriff Fremdschämen verwenden.“ Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass keine Elternabstimmung, sondern lediglich eine Befragung stattgefunden habe. Die Verwaltung sehe in dieser Befragung kein eindeutiges Ergebnis. Bezirksbürgermeisterin Margot Hülskemper musste dem widersprechen. „Für uns ist die Befragung ein deutliches Signal der Eltern.“ Doch diese Meinung und die Bedenken wurde im Rat der Stadt wohl nicht gehört. Der Rat entschied nach heftiger Diskussion mit knapper Mehrheit für den von der Verwaltung eingebrachten Vorschlag der Vorbereitungsgruppe.

Momentan wird durch die Vorbereitungsgruppe ein pädagogisches Konzept erarbeitet, das im April dem Rat vorgestellt wird. Gegen Ende Mai oder Anfang Juni soll es dann eine weitere Informationsveranstaltung für die Eltern geben. Im Juni wird es dann eine zweite Elternbefragung geben, bevor im September der Errichtungsbeschluss im Rat erfolgt. Schon jetzt steht aber fest, dass die Sekundarschule 2015 nicht am Kirchhellener Ring starten wird.Zunächst kommt „die neue Schule“ an einer Dependance der Gregorschule unter. Hier soll in modern ausgestatteten Schulpavillons der Unterricht stattfinden. Grund dafür sind die Bauarbeiten am Hauptschulgebäude. Sollten hier auch noch Pavillons aufgestellt werden, gäbe es einfach zu wenig Platz in den Pausen. Das pädagogische Konzept der Vorbereitungsgruppe soll noch vor den Sommerferien vorgelegt werden. Einen ersten Einblick erhielten die Bezirksmitglieder bei ihrer Sitzung Ende März. Dabei stellte Stefan Völlmert, stellvertretender Schulleiter der Kirchhellener Hauptschule einige Punkte vor. So soll es an der Kirchhellener Sekundarschule so genannte SEGEL Stunden geben, bei dem das selbst gesteuerte Lernen forciert wird. Zudem sind Unterrichteinheiten von 60 statt 45 Minuten vorgesehen. „Differenzierten Unterricht anbieten und Schüler gemeinsam fördern und fordern, das ist unser Ziel“, sagt Stefan Völlmert. gk


Stellungnahmen der Parteien


LebensArt hat die im Bezirk vertretenen Parteien hinsichtlich des Vorschlags zur teilintegrierten Schulform um Stellungnahme gebeten:

CDU
„Die CDU befürwortet eine Sekundarschule in Kirchhellen, um die Bildungslandschaft vor Ort zu stärken. Aufgrund der Ergebnisse der Elternbefragung hätte sich die CDU eine kooperative Form der Sekundarschule mit gemeinsamem Lernen in den Jgst. 5 und 6 gewünscht. Die CDU ist der Auffassung, dass die Chance für die Errichtung einer Sekundarschule in dieser Form am größten gewesen wäre. Falls es nicht zu einer Sekundarschule zum Schuljahr 2015/16 kommen wird, ist dieses von SPD, Grünen, DKP und Linken zu verantworten.“

SPD
„Kirchhellen braucht für ein langfristig funktionierendes Schulwesen die Sekundarschule. Folgerichtig hat der Rat die Errichtung beschlossen. Da nach der Elternbefragung ein eindeutiger Formwille nicht erkennbar war, hat sich die Ratsmehrheit situationsgerecht für die teilintegrierte Form gemäß der Expertenempfehlung entschieden. Die Schulkonferenz kann die Form später bei Bedarf auch ändern. Die Schule darf nicht zerredet werden. Wir werden die sachliche Information verstärkt betreiben.“

FDP
„Die vielen Auspendler zeigen sehr deutlich: Kirchhellen braucht eigentlich eine Realschule. Nur eine kooperative Sekundarschule böte eine vergleichbare Schulbildung. Das Ergebnis der Elternbefragung tendiert eindeutig in diese Richtung. Selbst wenn die Sekundarschule kooperativ eingerichtet würde, wurde im Rat bereits offen angekündigt, dass die Schule durch die Schulkonferenz später nachträglich in die geamtschulähnliche integrierte Form umgewandelt werden kann. Diese ideologisch motivierte Missachtung des Elternwillens lehnen wir Liberale ab.“

GRÜNE
„Die Schullandschaft wird sich so oder so schon durch den demographischen Wandel, der Abnahme der Schülerzahlen, in Bottrop verändern. Diese Veränderung wollen Grüne nutzen, um Kinder und Jugendliche mit ihren Fähigkeiten in den Mittelpunkt der Diskussionen und der Umsetzungen stellen. Durch kleinere Klassen und mehr Lehrer wird mit dem Modell der Sekundarschule sichergestellt, dass jeder Schüler nach seinen Fähigkeiten und Begabungen individuell gefördert werden kann. Diese Schulform kommt dem Elternwillen nach längerem gemeinsamem Lernen entgegen. Der Schulstandort in Kirchhellen ist zudem langfristig gesichert. Grüne berücksichtigen den Elternwillen zur teilintegrierten Form der Sekundarschule und wehren sich gegen die unsachlichen Angriffe.“

ÖDP
„Bezüglich der Organisationsform wollte die ÖDP eine fachliche Entscheidung durch die Vorbereitungsgruppe, außerdem schien uns eine Elternbeteiligung sinnvoll, um eine reine Ideologiedebatte zu vermeiden. Bedauerliches Ergebnis ist der nun brodelnde Zwist zwischen den Parteien, die die nicht aussagekräftige Elternbefragung jeweils dazu nutzen, die eigene Position zu untermauern. Dabei wird bei den Eltern die fachlich völlig unbegründete Angst geschürt, dass das eigene Kind bei der jetzt beschlossenen teilintegrativen Form nicht die nötige Förderung bekäme. Die ÖDP fordert alle Eltern auf, sich nicht von dieser „Panikmache“ anstecken zu lassen und ihr Kind bei Interesse trotzdem für die neue Sekundarschule in Kirchhellen anzumelden.“


Die Sekundarschule

Die Sekundarschule führt zu allen Schulabschlüssen der Sekundarstufe I und ermöglicht durch verbindliche Kooperationen mit Gymnasien, Gesamtschulen oder Berufskollegs den Anschluss an die gymnasiale Oberstufe.

In den Klassen 5 und 6 werden die Schüler gemeinsam unterrichtet. Dieses Konzept kann bis zur Klasse 10 über differenzierte Angebote fortgeführt werden (integrativ). Es ist aber auch möglich, den Unterricht ab Klasse 7 teilintegrativ durchzuführen. Das heißt, dass unter Beibehaltung der Klassenverbände in einzelnen Fächern Neigungsund Leistungsprofile gebildet werden. Auf der anderen Seite kann der Unterricht auch in einer kooperativen Organisationsform erteilt werden, bei der entweder schulformbezogene Klassen gebildet oder ab Klasse 7 zwei Bildungsgänge auf unterschiedlichen Anforderungsebenen eingerichtet werden.

Durch eine verbindliche Kooperationen mit der Oberstufe eines Gymnasiums, einer Gesamtschule oder eines Berufskollegs kann das Abitur erlangt werden. Die Sekundarschule muss mindestens dreizügig aufgestellt sein. Die Errichtungsgröße beträgt 25 Schüler pro Klasse.

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