Foto: Katharina Boll

In Schermbeck geht es um die Wurst - Wurstjagen hautnah

LebensArt-Redakteurin Katharina Boll geht gemeinsam mit den Bestener Junggesellen auf Wurstjagd und lernt die feuchtfröhliche Tradition kennen

Der Bestener River ist nur eine der zahlreichen Stationen, die die Junggesellen auf ihrem Weg überwinden müssen. Doch zur Belohnung gibt es einen Korn. Foto: Katharina Boll

Schermbeck - In Schermbeck und Umgebung geht es Anfang des Jahres wie immer um die Wurst. Und das nicht nur im übertragenden Sinne. Denn die Junggesellenvereine Besten, Östrich-Hardtberg, Gahlen und Üfte sammeln echte Würste auf ihren Märschen durch ihre Ortschaften. Unsere Redakteurin Katharina Boll hat sich unter die Bestener Junggesellen gemischt und hautnah erfahren, was die Tradition so besonders macht.

Halb 10 morgens in Besten – auf der Suche nach der Gruppe Junggesellen, die irgendwo auf Wurstjagd sein sollen. Von der Bestener Straße fahre ich mit dem Auto über die Pannacker Straße in die Torfstraße, den Kuhweg entlang ins Janbrucksfeld. Doch keine Junggesellen in Sicht. Also geht es weiter zum Vornsberg. Endlich sehe ich zwei Fahrradfahrer mir entgegenkommen. Vielleicht haben sie die Wurstjäger gesehen. „Wurstjäger? Was ist das denn“, entgegnet mir der eine Fahrradfahrer auf meine Frage. Anscheinend keine Ortsanssäsigen, denn die Wurstjäger sind hier doch so bekannt wie ein bunter Hund. Schließlich gibt es den Bestener Verein schon seit dem Jahre 1904 und seit dem sammeln in jedem Jahr die Jungesellen zwischen 16 und 30 Jahren Würste.

Nach dem ich noch drei andere Fußgänger danach gefragt habe, ob sie die Gruppe gesehen haben und alle mit Nein angewortet haben, wollte ich meine Suche schon fast abbrechen...Doch dann sehe ich eine ältere Frau mit Hund. Einen letzten Anlauf kann ich noch starten, denke ich. Und tatsächlich: Sie gibt mir den entscheidenden Tipp: „Die Wurstjäger sind am Brackenberg.“ Auf der Stelle wende ich in zehn Zügen und fahre so schnell es eben geht zum Brackenberg. Schon über das Feld hinweg sehe ich eine Gruppe junger Männer mit Strohhüten. Das müssen sie einfach sein.

Begrüßung mit einem Kurzen

Als ich mit meiner Kamera bewaffnet endlich die Bestener Wurstjäger erreicht habe, stehen sie bereits vor der nächsten Haustür, die sich gerade öffnet. Also, alle Mann rein! Gerade trete ich ins Wohnzimmer ein, geht die feuchtfröhliche Begrüßung auch schon los. Es wird der gute (und erstaunlich milde) Korn gereicht, Wurstjäger Rico Isselhorst gibt ein Ständchen auf seinem Akkordeon zum Besten und die Gastgeber des Hauses bringen die Wurst. „In diesem Jahr sind wir mit zwei Gruppen unterwegs. Insgesamt sind heute 20 Wurstjäger auf den Straßen“, erklärt der Wurstjäger-Vorsitzende Rico. Die Gruppe, die ich begleite, besteht aus acht Mann. Nach etwa zehn Minuten munterem Geplauder werden noch schnell die Kornflaschen aufgefüllt und schon geht es weiter zum nächsten Haus.

Windige Wanderung

Auf unserem Weg wird mir langsam klar, warum ich die Wurstjäger anfangs nicht finden konnte, denn von normalen Straßen halten die jungen Männer anscheinend nicht viel. Es geht über matschige Felder hin zum Bestener River (einem kleinen Bachlauf) und dem legendären Mount Besten (einem kleinen Grashügel). An jeder überwundenen Station gibt es natürlich einen Korn als Belohnung. Und die Kurzen haben wir uns redlich verdient, denn das windige Wetter macht uns die Wanderung nicht leicht.

Gemeinschaft stärken

Angekommen bei unserer nächsten Station haben wir ein bisschen Zeit zum Plaudern. Rico erklärt mir, warum er Wurstjäger ist und was es für ihn so besonders macht: „Wir sind hier geboren, wir leben hier, wir kennen die Tradition und wollen natürlich auch dieses Stück Heimat aufrecht erhalten. Das ist schon ein starker Zusammenhalt, wie wir in der Truppe fungieren. Wir machen nicht nur das Wurstjagen an sich, sondern auch andere Traditionsveranstaltungen wie zum Beispiel das Osterfeuer.“ Insgesamt sind momentan 24 Junggesellen in dem Verein. Dabei leben viele gar nicht mehr hier, sondern sind für Ausbildung und Studium längst woanders hin gezogen. Doch für die beliebte Tradition kommen sie gerne wieder in ihre Heimat zurück. „Das Schöne am Wurstjagen ist, dass man sich als Ortsgemeinschaft auch besser kennenlernt. Man lebt zwar im selben Ort, aber man kennt sich nicht unbedingt“, erklärt der Akkordeonspieler.

Überall Willkommen

Besonders freudig überrascht mich, wie positiv die Wurstjäger von jeder Familie aufgenommen werden. „Die Wurstjäger gehören einfach zu Besten dazu. Natürlich lasse ich sie gern in mein Haus“, erklärt ein Familienvater, der in seiner Jugend sogar selbst mitgelaufen ist, bevor er beherzt zum traditionellen Dankes-Korn greift. Denn für jeden Wurst-Spender gibt es einen Kurzen als Dank.

Nachdem ich die Wurstjäger bei ihrem wohlverdienten Frühstück alleine lasse, ist mir klar, dass die feuchtfröhliche Tradition mehr ist als Korn und Wurst. Hier wird die Gemeinschaft gestärkt. Es geht um den Zusammenhalt in der Ortschaft. Und das bereits seit 115 Jahren. kb

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