Gladbeck
Die Gleichstellungsstelle der Stadt Gladbeck, Ulla Habelt, blickt auf viele Erfolge in der Frauenförderung in der Stadt zurück.
Ulla Habelt, Gleichstellungsbeauftragte für GladbeckFoto: Privat - David Hennig / Stadt Gladbeck

Der Internationale Frauentag – Frauen in Gladbeck

Ein Gespräch mit Ulla Habelt, Gladbecks Gleichstellungsbeauftragter seit 2017

Gladbeck -

Am 8. März feiert die Welt jedes Jahr den Internationalen Frauentag. Wie sieht die Gleichbehandlung in den Städten aus?

Seit gut vier Jahren ist Ulla Habelt als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Gladbeck tätig, davor hatte sie diese Position zwei Jahre lang im Jobcenter Dortmund inne. Mit der Gleichbehandlung der Geschlechter in den Gladbecker Verwaltungs- und Führungspositionen zeigt sie sich zufrieden: „Unser größter Verdienst ist wohl, dass wir mit Bettina Weist eine Bürgermeisterin haben. Die einzige im Kreis Recklinghausen, übrigens. Außerdem werden gut 60 Prozent der Stellen in der Verwaltung – auch Führungspositionen und Amtsleitungen – von Frauen bekleidet. Wir sind auf einem guten Weg.“

Ulla Habelt ist in alle personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen in der Verwaltung involviert. Von der Stellenausschreibung über Auswahlgespräche bis hin zur Auswahl neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sie dabei und agiert in enger Abstimmung mit den Fachbereichen. „Mit dem hohen Anteil an weiblichen Mitarbeiterinnen sind wir zum Glück nicht mehr in der Situation, Frauen bevorzugt einstellen zu müssen, weil sie unterrepräsentiert sind.“

„Altersarmut ist weiblich.“

Auch wenn die Stadt Gladbeck auf einem guten Weg sei, was die Gleichbehandlung betreffe, sei man noch längst nicht fertig mit der Arbeit. „Als Gleichstellungsbeauftragte bin ich in der vorteilhaften Position, eine Vollzeitstelle zu bekleiden. Ich habe außerdem eine Fachassistentin, die mir zuarbeitet. So können wir einiges auf die Beine stellen“, freut sich Ulla Habelt. So habe sie im vergangenen Jahr eine Initiative gegründet, an der sich unter anderem Mitarbeiterinnen des Jugend- und Sozialamtes beteiligen und auch das Jobcenter Gladbeck ist Teil der Initiative. „Wir merken, dass wir besonders Frauen dafür sensibilisieren müssen, wie wichtig ihre eigene Erwerbstätigkeit ist und auch darüber aufklären, was im Alter passieren kann. Doch auch schon in jüngeren Jahren gibt ein eigenes Einkommen Frauen viel mehr Freiheit und natürlich Sicherheit“, erklärt sie. Zwar machen sich viele und gerade junge Familien weniger Gedanken um das Einkommen der Frau, doch im Falle einer Scheidung, wenn der Mann plötzlich arbeitslos wird oder wenn sie in einem Haushalt mit Gewalt aufwachsen, müssen sich Frauen absichern. „Es ist nun einmal auch so, dass Altersarmut noch immer weiblich ist. Dem wollen wir vorbeugen, den Frauen aber auch zeigen, welche Sicherheiten sie sich schaffen, wenn sie selbst auch arbeiten gehen.“ Im Grunde gehe es um die Unabhängigkeit der Frau. „Wenn eine Frau beispielsweise zuhause Gewalt erfährt, fällt ihr eine Trennung leichter, wenn sie sich selbst finanzieren kann“, argumentiert die Gleichstellungsbeauftragte. Doch auch für den Alltag einer jungen Familie sei ein zweites Einkommen beinahe unerlässlich, denn Ulla Habelt habe auch beobachtet, dass ein Einkommen oftmals nicht ausreiche, um die ganze Familie zu ernähren.

Corona-Pandemie – Ein Rückschritt der Gleichbehandlung?

Die Initiative, die Ulla Habelt auf den Weg bringen wollte, muss aber leider noch ruhen, denn: „Es kam Corona und nichts durfte mehr stattfinden. Sobald die Kontaktbeschränkungen gelockert werden und die Pandemie es wieder möglich macht, setzen wir mit unserer Initiative wieder an“, verspricht sie. Den Schwerpunkt Frauenerwerbstätigkeit habe sie aus ihrer Zeit aus dem Dortmunder Jobcenter mitgebracht. Gerade dort habe sie viele Frauen kennengelernt, die ohne Arbeit und ohne Perspektive waren. „Die vielen Schicksale haben mich überzeugt, mich stärker für dieses Thema einzusetzen. Offensichtlich müssen wir hier noch viel mehr aufklären und sensibilisieren“, erklärt sie.

Gerade jetzt während der Corona-Pandemie habe sie gehört, gelesen und festgestellt, dass Homeschooling gerade die Mütter in den Familien treffe. „Es fühlt sich an wie ein kleiner Rückschritt, denn in vielen Familien ist es jetzt wieder so, dass Frauen auf das Homeoffice oder eine Freistellung angewiesen sind. Der Mann sei unabkömmlich in seinem Beruf, heißt es dann. Dabei arbeiten so viele Frauen, auch Mütter, in systemrelevanten Berufen und sind da eben auch unabkömmlich“, sagt Ulla Habelt. Dazu kommt, dass sie als Gleichstellungsbeauftragte viele Kontakte, Angebote und Projekte einstellen musste. „Das Jobcenter hier in Gladbeck hatte gerade für das vergangene Jahr ein Programm für Frauen auf die Beine gestellt, aber auch all diese Veranstaltungen sind wegen Corona ausgefallen“, bedauert sie.

Alte Systeme ändern

Dabei seien die Chancen auf dem Arbeitsmarkt schon so viel besser geworden, hat die Gleichstellungsbeauftragte beobachtet. Immer mehr Unternehmen freuen sich über Bewerbungen von Frauen. „Doch gerade das Steuergesetz in Deutschland befördert einen Hauptverdiener – und das ist oftmals der Mann. Damit sieht es in vielen Familien immer noch so aus, dass die Frau zuhause bei den Kindern bleibt und der Mann Vollzeit arbeiten geht“, kritisiert sie. Das Problem sei aber ein institutionelles, das nicht auf lokaler sondern auf Bundesebene gelöst werden müsste: „Dafür muss man das Steuergesetz ändern.“

Dennoch freut sie sich über den Wandel in der Gesellschaft. Immer mehr Väter gehen selbst in Elternzeit. Das sei nicht nur schön für die Familien, sondern gebe den Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch einmal eine andere Sicherheit. „Viele Unternehmen haben früher gerade junge Frauen nicht eingestellt, weil die Gefahr bestand, dass sie Kinder bekommen und ausfallen. Dass diese Struktur gerade im Wandel ist, merken auch Unternehmen. Einen Mann einzustellen, bedeutet nicht mehr gleichzeitig die Sicherheit, dass er als Mitarbeiter nicht wegen Elternzeit ausfällt“, lobt sie.

Den 8. März bekannter machen

Anlässlich des Weltfrauentags am kommenden Montag (8. März 2021) wird es unter anderem eine digitale Ausstellung zum Thema FrauenLeben in Gladbeck des Museums der Stadt Gladbeck geben. Auf der Homepage werden zahlreiche Fotos und Anekdoten über Gladbecker Frauen digital ausgestellt. „Ein sehr schönes Foto aus dem Jahr 1962 zeigt eine Frau, die gerade nach der bestandenen Führerscheinprüfung aus dem Auto steigt. Für uns mittlerweile eigentlich ein normales Bild. Doch Frauen dürfen erst seit 1958 den Führerschein ohne die Erlaubnis des Ehemannes oder Vaters machen. Und die 1950er Jahre sind noch nicht so lange her“, fasst Ulla Habelt die Anekdote zusammen. Weiter hat die Gleichstellungsbeauftragte die Verwaltung, Vereine und Verbände gebeten, Statements zum Weltfrauentag auf ihren Social-Media-Accounts zu veröffentlichen, damit er eine noch höhere Bekanntheit erreicht.

Außerdem wird es zum Equal Pay Day, der am 10. März gefeiert wird und auf die Lohnunterschiede von Männern und Frauen aufmerksam macht, kleine Videos der Stadtoberhäupter geben. Ulla Habelt erzählt: „Wir haben die Bürgermeister der Städte im Umkreis, Landräte und unsere Bürgermeisterin – die einzige Frau in der Reihe der Bürgermeister – gebeten, Statements zum Equal Pay Day zu verfassen und werden sie als kurze Filme veröffentlichen.“

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Julia Liekweg

Julia Liekweg

julia.liekweg@aureus.de

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