Gladbeck
Die Gladbecker Einzelhändler im Gespräch nach den Corona Lockdown Lockerungen.
Leere Fußgängerzonen in Gladbeck - Wie ändert sich das Stadtbild mit dem Terminshopping?Foto: aureus GmbH - Stefanie Schwaß

Gladbecker Einzelhandel in der Corona-Not

Ist durch die Lockerungen der Lockdown-Regeln endlich eine Verbesserung für die Gladbecker Einzelhändler in Sicht?

Gladbeck -

Bürgermeisterin Bettina Weist bittet Ministerpräsident Armin Laschet um Hilfe: „Aus dieser Krise schaffen wir es nur gemeinsam.“

Bettina Weist setzt sich für die Gladbecker Innenstadt ein
Foto: Privat - Stadt Gladbeck

Weiter fordert Gladbecks Bürgermeisterin: „Wir brauchen auch nach Corona eine lebendige Innenstadt, mit Geschäften, Dienstleistung und einer attraktiven Gastronomie. Deshalb benötigen wir dringend eine Perspektive, wie es weitergehen kann.“ Dieses Fazit zieht Bürgermeisterin Bettina Weist nach Gesprächen mit den Gladbecker Einzelhändlern und hat sich deshalb mit einem Brief an Ministerpräsident Armin Laschet gewendet. Auch wir haben bei der Gladbecker Kaufmannschaft nachgehakt.

„Ich bitte Sie, die jetzt vereinbarten Regeln zwischen der Bundeskanzlerin und den Ländern so flexibel wie möglich auszulegen. Handel, Dienstleistung und Gastronomie haben gute Konzepte vorgelegt, wie eine Ausbreitung der Pandemie in den Ladenlokalen und Restaurants verhindert wird. Ich bitte Sie, daher zu prüfen, inwieweit Sie in NRW flexiblere Regelungen bei Einhaltung aller Schutzmaßnahmen ermöglichen können“, heißt es in dem Schreiben der Bürgermeisterin an den Ministerpräsidenten. Bei einem Rundgang durch die Gladbecker Innenstadt, an dem auch Stadtbaurat Dr. Volker Kreuzer, Peter Breßer-Barnebeck, Leiter der städtischen Wirtschaftsförderung, und Frank Restemeyer, Leiter des Ingenieuramtes, teilnahmen, wurde deutlich, wie groß die Sorgen in der Innenstadt mittlerweile sind.

So sieht es in den Geschäften tatsächlich aus

Händler bleiben auf bestellter und bezahlter Ware sitzen, zusätzlich gibt es die Angst, dass viele Läden nach der Corona-Krise schließen oder Leerstände nicht gefüllt werden können. Bürgermeisterin Bettina Weist: „Ich kann die Sorgen und Nöte nachempfinden und teile sie. Unsere Innenstadt ist das Gesicht der Stadt, wir müssen alles dafür tun, dass bald wieder Leben einzieht.“ Gemeinsam haben Handel und Gastronomie mit Unterstützung der Stadtverwaltung zwischenzeitlich schon einiges auf den Weg gebracht: Vom Lieferservice über den eigenen Webshop und die Abholung an der Ladentür ist einiges möglich. Gebündelt sind diese Angebote auf dem Online-Auftritt des Projekts Mitten in Gladbeck zu finden. Außerdem wird kurzfristig der erste von Bürgermeisterin Bettina Weist angeregte „Runde Tisch zur Zukunft“ der Innenstadt stattfinden, aufgrund der Corona-Krise vermutlich noch digital. Darüber hinaus arbeiten Werbegemeinschaft, Einzelhandelsverband und Stadtverwaltung an Konzepten, um die Innenstadt ab Sommer zu beleben. Dazu sollen kleinere Kunst- und Kulturangebote und Ideen für die Gastronomie gehören. Kurzfristig werden auch Corona-Infoteams aus der Stadtverwaltung in der Innenstadt unterwegs sein, die Masken verteilen, Infomaterial herausgeben und bei Fragen zur Verfügung stehen.

Wo ein Wille, da bisher nur ein steiniger Weg

Man merkt also: Der Wille, den Einzelhandel in Gladbeck zu unterstützen, ist da. Und sicherlich ist auch das Konzept „Termin-Shopping“ seit dem 8. März 2021 durchaus ein Schritt in die richtige Richtung. Doch auch diese vorläufige Lösung ist noch längst kein Modell, mit dem die Einzelhändler langfristig planen können. „Man ist natürlich über jeden kleinen Schritt in die richtige Richtung froh und freut sich, wieder Umsätze generieren zu können, aber als Einzelhändler fühlt man sich einfach durch die Politik benachteiligt“, erklärt Jens Grosse-Kreul, Geschäftsführer von Schuh Grosse-Kreul und stellvertretender Vorsitzender der Werbegemeinschaft Gladbeck.

Die Gladbecker Einzelhändler im Gespräch

Die ersten Tage des „Termin-Shoppings“ in Gladbeck sind vorüber und die Meinungen beziehungsweise Wahrnehmungen der Einzelhändler zu der Thematik gehen auseinander. Mit Sicherheit ein nicht zu vernachlässigender Aspekt bei der Bewertung der ersten Tage sind eindeutig die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Händler. Eine wichtige Rolle spielt hier vor allem die Größe des Ladenlokals. Eine ganz klare Regelung lautet hier: Bei einem Inzidenzwert zwischen 50 und 100 darf maximal ein Kunde bei 40 Quadratmetern Verkaufsfläche das Geschäft betreten. Das heißt also je größer das Geschäft, desto mehr Kunden dürfen ein Ladenlokal gleichzeitig betreten. Außerdem soll es zu Terminbuchungen kommen, um den Andrang vor den Geschäften zu regulieren. Freie Termine können allerdings auch spontan besetzt werden.

Stephan Ignatzy, Stil Vest

Ein Aspekt, den Stephan Ignatzy für sein Modegeschäft Stil Vest gerne nutzt: „Wir haben keinen großen Nachteil durch die aktuellen Regelungen. In dem 300 Quadratmeter großen Ladenlokal in Gladbeck dürfen sich 8 Kunden gleichzeitig aufhalten. Natürlich sind es normalerweise in absoluten Spitzenzeiten mehr Kunden, doch wir sind auch auf einem ungefähren Warenwert von rund 100.000 Euro aus der Wintersaison sitzen geblieben, da ist der aktuelle Zustand eine deutliche Verbesserung.“

Auch die rechtlichen Grundlagen für ein terminfreies Einkaufen habe der Inhaber bereits erfragt. „Mit meinem Anwalt und dem Handelsverband habe ich bereits abgeklärt, ob es auch möglich ist, fast komplett auf Terminvereinbarungen zu verzichten. Shopping lebt von Flexibilität und viele Kunden sind durch notwendige Verbindlichkeiten abgeschreckt – das finde ich auch vollkommen verständlich. Deswegen läuft es bei uns ganz einfach: Selbstverständlich nehmen auch wir im Eingangsbereich die Kontaktdaten der Kunden auf, doch wenn im Laden nicht bereits acht Kunden stöbern, kann man auch ganz einfach ohne Termin nachrücken. Es gibt auch keine Beschränkungen von einer halben Stunde oder Stunde zum Shoppen, jeder darf sich nach Herzenslust umsehen – ganz ohne Zeitbeschränkungen. Zur Not muss man halt für einige Minuten draußen unter Einhaltung der Abstände warten, aber fixe Termine sind nicht nötig“, erklärt Stephan Ignatzy. Ein ganz deutliches Signal hat der Geschäftsführer auch seinen Mitarbeitern gegeben: Kein Kunde soll das Gefühl bekommen, etwas kaufen zu müssen. „Unbeschwertes Bummeln“ ist hier das Stichwort.

Jens Groß Kreul, Schuhhaus Grosse-Kreul

Jens Große-Kreul, der mit seinem 350 Quadratmeter großen Schuhfachgeschäft in Gladbeck Mitte auch kein gerade kleines Ladenlokal führt, sieht das Ganze allerdings ein wenig kritischer: „Natürlich sind wir alle froh, dass wir aktuell überhaupt Umsätze generieren können. Und an Dinge wie Maßnahmen zur Kontaktnachverfolgung, Schlange stehen, Abstand halten und Mundschutz tragen, haben sich die Kunden ohnehin schon gewöhnt. Diese Maßnahmen machen auch durchaus viel Sinn. Aber sowohl die Gastronomen als auch die Einzelhändler sind die ganz großen Verlierer der Pandemie und Opfer der Politik. Wenn von einem Lockdown gesprochen wird, dann soll dieser doch bitte für alle gelten und nicht nur für einzelne Branchen. Während Händler mit enormen Umsatzeinbußen zu kämpfen haben und lediglich als Unterstützung Fixkostenzuschüsse erhalten, darf die Industrie ganz einfach weiter produzieren. Oder man schaut sich die Baustellen im Ort an: Nicht selten bekommt man nicht einen einzigen Bauarbeiter mit Maske zu Gesicht. Ich glaube, dass die Terminbindung über kurz oder lang wieder eingestampft wird. Wir Händler hatten lange genug Zeit, uns funktionierende Konzepte zu überlegen. In Supermärkten funktioniert es ja schließlich auch.“

Georg Hahne, Juwelier Hahne

Auch Juwelier Georg Hahne ist froh über einen ersten kleinen Schritt und freut sich vor allem, wieder Beratungsgespräche führen zu können. „Ein Juwelier braucht nicht unbedingt eine hohe Kundenfrequenz, viel wichtiger ist hier das persönliche Gespräch und die Beratung. Da ist man natürlich für erste Umsätze dankbar. Bisher haben wir auch am Geschenkeladen einen Türverkauf geführt, doch auch da ist es natürlich schöner, sich zuvor etwas umsehen zu können“, erklärt der Gladbecker. „Natürlich ist das alles nicht ideal, aber grundsätzlich kommen wir klar. Vor allem sind wir dankbar über unsere treue Stammkundschaft, das ist ein ganz großer Vorteil.“

 

Was in Gladbeck jedoch nach wie vor fehlt, ist ein ganz normaler Stadtbummel. Einfach durch die Innenstadt schlendern, an Schaufenstern vorbeilaufen und – ja, es klingt fast verrückt – einfach hineingehen. Denn, so hat es Bürgermeisterin Bettina Weist ganz passend formuliert: „Die Innenstadt ist das Gesicht der Stadt.“ Damit dies wieder in voller Pracht strahlen kann, ist jeder von uns gefragt, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen.

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Aileen Kurkowiak

Aileen Kurkowiak

aileen.kurkowiak@aureus.de

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