Hatay, der am stärksten betroffene Bereich ist ein Gebiet, ähnlich wie hier Nordrhein-Westfalen, mit der Stadt Antakya. Die ehemalige antike Metropole Antiochia ist seit dem Beben praktisch von der Landkarte verschwunden. In römischer und byzantinischer Zeit war sie, neben Alexandria und Konstantinopel, die größte und bedeutendste Stadt im östlichen Mittelmeerraum. Doch seit dem 6. Februar ist dort davon nichts mehr übrig.
An dem Tag des Erdbebens rief der Bruder von Hikmet Süner an und sagte „Komm mal rüber, ich glaube, wir haben ein Problem!“. In den türkischen Nachrichten verfolgte man gemeinsam die Ereignisse in der Grenzregion zu Syrien. Wir groß das Problem war, stellte sich bei Gesprächen mit den Verwandten in Hatay heraus. Viele Cousins und Cousinen des Vaters und deren Familien leben in der Region. Innerhalb von wenigen Minuten zerstörte das schwere Beben dort alles und hinterließ nur Trümmer.
Familien ausgelöscht
Auch das Haus, das sich Süners Eltern in 30 Jahren aufgebaut hatten, ist innerhalb von drei Minuten zerstört worden. „Ich habe allein 90 Cousins und Cousinen mit ihren Familien, darunter wurden auch einige verschüttet. Sogar ein Baby war dabei!“, so Süner betroffen. Es gibt dort nicht eine Familie, die nicht betroffen ist. Alle haben Verschüttete zu beklagen. Teilweise wurden ganze Familien ausgelöscht. Auch viele Nachbarn vor Ort lagen unter den Trümmern verschüttet. Den meisten Menschen dort blieb nur das, „was sie auf dem Leib trugen!“.
Der sozial engagiert Süner beschloss umgehend, nach Hatay zu fahren, um zu helfen. Seit einigen Jahren hilft er mit dem von ihm gegründeten Verein „Smile - das ist Dein Tag“ schwerkranken Kindern. Dort angekommen wurde die anfängliche Euphorie erst mal gedämpft. „Es gab kein Wasser und kein Strom“. Nachts schlief Hikmet Süner im Auto und musste immer wieder die Scheiben freikratzen, weil es so gefroren hat. Überall nur Trümmer und verzweifelte Menschen, „ein Anblick wie nach einem Krieg“. Viel helfen konnte er dort allerdings nicht. Zumal man nicht wusste, wo man graben sollte. Gräbt man an einer Stelle, kann daneben jemand verschüttet liegen. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele Leichenwagen gesehen.“ so der 45-jährige. Auch die Geräusche waren bedrückend, immer wieder stürzten Häuser ein. Hinzu kam der Verwesungsgeruch nach einigen Tagen sagt Hikmet Süner, „wenn du das dann in der Nase hast, wenn der Wind schlecht stand, dann wird dir auch ganz anders!“.
Schrotgewehre gegen Plünderer
Mit seinen Verwandten hat er jedoch nachts Wache gehalten, um die noch stehenden Gebäude vor Plünderern zu schützen. Onkel und Cousins waren sogar mit Schrotgewehren zur Verteidigung bewaffnet. Das Ganze im stockdunklen so der 45-jährige, „wir haben Autoreifen und Holzreste verbrannt!“.
Dort, wo Hilfsorganisationen vor Ort waren, durfte man gar nichts machen. Aber untätig war er trotzdem nicht. Über die Suppenküche verteilte er Essen und für die internationalen Helfer dolmetschte er in Deutsch, Englisch, Arabisch und Türkisch. Wobei auch das schwierig war, denn Süner spricht zwar Englisch, jedoch wurde dort mehr fachspezifisches Englisch benötigt. „Aber auch das hat irgendwie funktioniert!“, so der fünffache Familienvater.
Die Menschen in der betroffenen Region warten nun auf Hilfe der Regierung. Viele wissen nicht wie es weitergehen soll. Die Finanzhilfe der Regierung von umgerechnet 500 Euro ist nur ein kurzes Mittel zur Überbrückung. Denn wann die Infrastruktur wieder läuft, steht noch in den Sternen. In seiner Familie sieht die Situation aktuell so aus, dass einige seiner Verwandten in andere Städte wie Ankara und Istanbul geflüchtet sind, um ihre Angehörigen in Sicherheit zu bringen. Die Ausreise zu Verwandten nach Deutschland klingt gut, ist aber oft keine Option. Einerseits haben viele keinen Reisepass, den benötigt man aber um nach Deutschland auszureisen und andererseits haben die Verwandten in Deutschland keine Kapazitäten um sie aufzunehmen und zu versorgen.
Hilfsaktion
Für Hikmet Süner ist die Vorstellung erschreckend, dass auch jetzt noch Menschen unter den Trümmern liegen und diese mitsamt dem Schutt auf den Müll geworfen werden. Für ihn fühlte es sich nicht richtig an, nach zwei Wochen wieder zurück zu fliegen. „In Gedanken bin ich bis heute noch da!“, so der 45-jährige „mein Leben geht hier ganz normal weiter wie vorher auch und bei denen ist es so, dass die gar nicht wissen, wie es weitergehen soll!“.
Um weiter helfen zu können, sammelt er unter der Bankverbindung Smile – das ist dein Tag e.V., Stadtsparkasse Gladbeck, IBAN DE 24424500400071023360 weiter Spendengelder.