Den beruflichen Werdegang des Beschuldigten schilderte das Bistum selbst. Die Tat soll sich 1984 in einem Ferienlager der Kirchhellener Gemeinde St. Johannes zugetragen haben. Den Namen des mutmaßlichen Täters auszusprechen, traut sich lediglich Pastor Christoph Potowski, der feinfühlig und hoch engagiert durch den Gemeindeabend führte, an dem zwei Bistumsvertreter sich den Fragen der Zuhörer stellten. Die Interventionsbeauftragte und der Pressesprecher des Bistums Münster sind aus rechtlichen Gründen nicht befugt, den Namen zu nennen, erklären sie im Verlauf des Abends.
Kein Unbekannter
Der Rahmen für die mutmaßliche Tat vor über 40 Jahren wurde von Seiten des Bistums Münster bereits in einer Pressemitteilung abgesteckt. Das hat viele Kirchhellener dazu veranlasst zurückzudenken und sich vielleicht an den beschuldigten Diakon, dessen Identität inzwischen alles, aber kein Geheimnis mehr ist, zu erinnern.
Es hätten sich inzwischen bereits zwei weitere Menschen gemeldet, die ähnliche Vorfälle geschildert haben, bestätigt Eva-Maria Kapteina, Interventionsbeauftragte des Bistums Münster. Nähere Angaben dazu wolle und dürfe sie nicht machen. Ebenfalls bestätigt wurde, dass sich der Beschuldigte nach der Konfrontation mit den Vorwürfen gegenüber dem Bistum geäußert hat. Was diese Äußerung beinhaltet, bleibt durch das Bistum unkommentiert.
Viel diskutiert wurde ebenfalls die Verjährungsfrist. „Zunächst wurde der Fall von uns an die Staatsanwaltschaft Arnsberg gemeldet, die aufgrund des mutmaßlichen Tatortes zuständig ist. Ist diese Arbeit beendet, wird es eine kirchenrechtliche Untersuchung geben. Das hat unter anderem den Grund, dass es laut Kirchenrecht längere Verjährungsfristen gibt“, erklärt Bistumssprecher Dr. Stephan Kronenburg. Wie lange ein solches Verfahren dauern würde, fragt eine Zuhörerin. „Ungefähr ein Jahr“, so Kapteinas Antwort.

Schweigen brechen
Weiter wurden Kapteina und Kronenburg nicht nur mit Themen konfrontiert, die mit dem konkreten Kirchhellener Fall in Verbindung stehen – ausufernde Kritik am Kirchenrecht, der sogenannten „Zahlung in Anerkennung des Leids“ an von Missbrauch Betroffene, dem generellen Umgang mit Missbrauchsvorwürfen und der Haltung von Bischof Genn trafen bei den beiden Gesprächspartnern auf offene Ohren. „Wir befassen uns ja leider nicht selten mit diesen Themen“, bedauert Kronenburg. Etwas relativieren oder rechtfertigen wolle er nicht, ganz im Gegenteil.
Nach der Veröffentlichung der Studienergebnisse zum Thema Missbrauch im Bistum Münster von 1945 bis 2020 unter dem Titel „Macht und Missbrauch in der katholischen Kirche“ im Sommer 2022 trauen sich inzwischen immer mehr Betroffene, sich zu Taten von Mitgliedern der katholischen Kirche zu äußern. „Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter“, wird der Bottroper Markus Elstner nicht müde zu betonen. Der selbst Betroffene leitet in Bottrop eine Selbsthilfegruppe, bot der hiesigen Gemeinde seine Hilfe bei der Präventionsarbeit an und schildert vor Ort seine Erfahrungen.

Der Prozess beginnt
„Ich hoffe, dass sich mehr Menschen trauen, zu reden“, erklärt Pastor Potowski, der den Kirchhellener Fall nach Absprache mit der ersten betroffenen Person an das Bistum Münster für das weitere Vorgehen weitergegeben hat. „Das ist nur der Anfang“, sagt Christoph Potowski. „Ich hoffe, dass sich durch die Bekanntmachung solcher Fälle mehr Menschen öffnen können. Diese Dinge hat es leider immer gegeben, diese Dinge gibt es und vermutlich wird es sie leider auch in Zukunft geben. So wie jetzt der Prozess um den Beschuldigten beginnt, beginnt für uns der Prozess der Aufarbeitung.“