© Dieter Schütz / pixelio.de

Bollywood in der Realität

Indien wird mit seinen vielen Traditionen, Religionen und kulturellen Besonderheiten immer häufiger zum touristischen Anziehungspunkt

6182cafdf23ea50b7e354fd021161b1a.png
An das bunte Treiben und die vielen Menschen muss man sich als europäischer Tourist in Indien erst einmal gewöhnen.
© Dieter Schütz / pixelio.de

Der Sommer ist da, doch der nächste, vermutlich kalte Winter wird kommen und wer dem noch ein Weilchen entgehen möchte, muss sich schon jetzt Gedanken machen, welches Fleckchen Erde für einen verlängerten Sommer sorgen soll. Ein optimales Ziel für die Wintermonate ist Indien. Während hierzulande Minusgrade für kalte Füße sorgen, kann man dort angenehme 20 bis 25 Grad genießen. Vor allem zwischen Oktober und Dezember versprechen die wohligen Temperaturen einen behaglichen und außergewöhnlichen Urlaub mit Sommerverlängerung, während die Zeit zwischen Juni und September zum einen von äußerst warmem Wetter, hauptsächlich aber von heftigen Monsunregen geprägt ist.

Schon acht Stunden, nachdem man im kühlen Deutschland das Flugzeug bestiegen hat, ist man im Land der verschiedensten Religionen, Traditionen und kulturellen Besonderheiten angekommen. Da sich Indiens Flughäfen auf mehr als 25 Städte im ganzen Land verteilen, kann der Zielflughafen entsprechend der Reiseroute gewählt werden. Wer allerdings in Delhi landet, kann sich unmittelbar nach der Ankunft auf Entdeckungstour durch Delhi oder die Hauptstadt Neu-Delhi begeben und direkt die ersten Eindrücke gewinnen.

Oftmals stellt sich schon die Fahrt ins Hotel als Abenteuer heraus. Denn von den Verkehrsregeln, wie sie hierzulande gelten, halten die Inder nicht sonderlich viel. Gemäß dem Motto „Das schnellere und größere Auto hat Vorfahrt“ kommt bei den meisten Europäern der erste Adrenalin-Schock auf. Zu dem recht eigenwilligen Fahrstil gesellt sich eine weitere Sonderlichkeit, die ein Hindernis darstellt: Kühe.

Zwar ist allgemein bekannt, dass Indien das Land der heiligen Kühe ist, doch dass diese Verehrung mittlerweile zur reinsten Plage geworden ist, wissen die Wenigsten. Bei einem Blick auf die Straßen zeigt sich die extreme Vergötterung. Sogar auf den Autobahnen liegen oder laufen quer über die Fahrbahnen zahlreiche Kühe, die keinesfalls angefahren, geschweige denn überfahren werden dürfen. Denn wer einer Kuh das Leben nimmt, hat nach hinduistischem Glauben einen Mord begangen. Um diesen verheerenden Fehler zu vermeiden, wird die Autobahn kurzum von der Schnell- zur Schleichstraße umfunktioniert, sodass die Fahrer lediglich mit 30 bis 40 Stundenkilometern ihre Fahrt fortsetzen.
 

In den Städten zeigt sich schließlich das ganze Ausmaß. Hier wimmelt es nur so von Stieren, die direkt nach der Geburt „in die Freiheit entlassen werden“, da sie für die Besitzer keinerlei Nutzen bringen. Die Kühe hingegen werden als Milchkühe behalten, bis auch sie ersetzt werden. Jedoch ist den Indern das Wohlergehen ihrer Tiere keineswegs egal. Für jede ausgesetzte Kuh bringen sie eine Opfergabe in Form einer Futterspende dar, die sie in der Stadt ablegen, damit die Tiere weiterhin überleben. Um dem immer größer werdenden Problem entgegenzutreten, hat sich in Delhi der Beruf des „Stadtcowboys“ etabliert. Mit dem Lasso ausgestattet versuchen die Männer mühselig die Kühe einzufangen, die völlig unbeeindruckt von den Autos und Menschen durch die Straßen schlendern. Anschließend werden die Tiere in Heime gebracht, wo man sich um die Verpflegung der streunenden Tiere kümmert. Ob das Problem damit gelöst wird, bleibt dahingestellt. Doch hat Delhi selbstverständlich noch weitaus mehr zu bieten, als nur die große Ansammlung streunender Kühe.

Als Hauptstadt beherbergt Neu-Delhi die Residenz des indischen Präsidenten, den Rashtrapati Bhavan. Ursprünglich hausten in dem Domizil nicht etwa die Präsidenten selbst, sondern lediglich deren Stellvertreter. Seit einigen Jahren ist der Rashtrapati Bhavan aber wieder Wohnsitz des Staatsoberhauptes. In seiner äußeren Gestaltung vereint das Gebäude die europäische Bauweise mit typisch indischen Elementen wie zahlreichen Brunnen und kleinen Wasserkanälen rund um das Anwesen. Das Besondere und Interessante ist, dass der Präsident nicht etwa die königlichen Gemächer bewohnt, sondern den Gästeflügel, da diese nicht so prachtvoll und luxuriös seien und daher den Ansprüchen des Präsidenten eher gerecht würden.

Wer sich nach dem Bummel durch die Stadt etwas stärken möchte, dem sollte das indische Essen munden. In ganz Indien wird nämlich in der Regel nur traditionelles, einheimisches Essen angeboten, auch in den Hotels. Doch können Skeptiker beruhigt werden, für Touristen wird in der Regel etwas milder gewürzt. Wer sich allerdings an das Essen und deren Originalwürzung der Einheimischen heranwagt, sollte das Glas Wasser nicht allzu weit wegstellen. Denn Chili, Curry, Kurkuma oder schwarzer Senf sind oft verwendete Gewürze, die in der großzügigen Verwendung schon für Tränen in den Augen gesorgt haben.
 

b5b3fce4a23458297115c9748d6e5147.png
Erlesene Gewürze und duftende Kräuter findet man auf den vielen Märkten in den indischen Großstädten.
© H-J Spengemann / pixelio.de

Als Urlauber sollte man sich allerdings nicht nur auf die spezielle Würzung einstellen, sondern auch darauf gefasst sein, dass in Indien hauptsächlich auf Fleisch in den Gerichten verzichtet wird. Zwar findet sich hin und wieder Hühnchen- oder Schweinefleisch auf der Speisekarte, Rindfleisch ist hingegen aufgrund der speziellen Stellung der Kuh völlig verpönt. Wer eine Reise nach Indien unternimmt, sollte sich schon im Vorfeld Gedanken über die Reisestrecke machen und eventuell schon Vorkehrungen wie Buchungen von Flügen oder Busfahrten treffen.

Denn Indien ist das typische Land für Rundreisen. Ob die Tour von Norden nach Süden verlaufen oder lieber nur eine Region umfassen soll, bleibt jedem selbst überlassen.
Wen es jedoch in den Westen Indiens zieht, sollte in jedem Fall einen Abstecher in die Stadt Mumbai vornehmen. Die Metropole, die bis zum Jahre 1996 unter dem Namen Bombay bekannt war, hat sich in den letzten Jahren zur wichtigsten Hafenstadt entwickelt und hat sich mittlerweile zum industriellen Zentrum zahlreicher Branchen gewandelt. Geprägt von der wirtschaftlichen Bedeutung zieren Wolkenkratzer, Bürogebäude und große Geschäftsviertel die Skyline Mumbais. Doch nicht nur die Wirtschaft floriert in der größten Stadt Indiens, auch das Filmgeschäft hat in Mumbai einen sensationellen Aufschwung erlebt. Denn die bekannten „Bollywood-Filme“ stoßen nicht nur bei den Indern selbst auf äußerst große Begeisterung, sondern sind auf der ganzen Welt gefragt.

Und wo die Filmindustrie boomt, sind auch die Schauspieler nicht weit und so hat sich Mumbai mit dem Sitz der Bollywood-Filmindustrie zum Mekka der Schauspieler, Tänzer und Sänger gewandelt. Doch inmitten dieser Modernität erinnern die historischen und religiösen Wahrzeichen wie Tempel, Moscheen und Kirchen an die kulturelle Vielfalt Indiens und scheinen den ruhigen Pol inmitten des recht hektischen Alltags zu bilden. Die bedeutendste Sehenswürdigkeit bildet unbestritten der Gateway of India. Das honigfarbene Monument sollte eigentlich zur Begrüßung von Dampfschiffen und dessen Passagieren erbaut werden. Heute ist es hingegen ein Wahrzeichen für das Ende der britischen Herrschaft, da im Jahr 1948 das letzte Kontingent britischer Truppen durch eben diesen Gateway of India zog.

Etwa zehn Kilometer östlich von Mumbai befinden sich die sogenannten Elephanta-Höhlen. Die gleichnamige kleine Insel Elephanta, die mittlerweile kaum noch als Wohnort, sondern vielmehr als touristischer Anziehungspunkt dient, beherbergt acht unterirdische Bauten, die jedoch nicht alle erkundet werden können, da einige im Laufe der Zeit geflutet wurden. Nicht so die Elephanta-Höhle, die über einige von zahlreichen Elefantenfiguren gesäumten Stufen erreichbar ist. In der Haupthalle angekommen, kann man weitere vier Nebenräume erkunden, die allesamt mit unzähligen Skulpturen, Schnitzereien, geschmückten Säulengängen und Schreinen verziert sind, die zu Ehren des Gottes Shivas errichtet wurden. Im hinduistischen Glauben spielt die Gottheit eine besonders wichtige Rolle und steht sowohl für Schöpfung und Neubeginn wie auch gleichzeitig für Zerstörung und Erhaltung. Seit 1987 stehen die Höhlen schließlich unter dem Schutz der UNESCO und gehören zum Weltkulturerbe der Menschen.

Wohin es von Mumbai aus weitergehen soll, bleibt jedem selbst überlassen. Groß genug ist Indien schließlich! MH

Zurück