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Neulich bei einem Fußballturnier in Kirchhellen: Ein paar zehn- bis zwölfjährige Jungen zeigten sich in einer außergewöhnlich respektlosen Art gegenüber einigen Erwachsenen. Es fielen Worte, die eindeutig nicht jugendfrei sind und die den gestandenen Männern und Frauen die Röte ins Gesicht schießen ließen. Die Beleidigungen und Provokation endeten erst, nachdem die Jugendlichen (oder waren es nicht noch Kinder) die Sportanlage nach mehrfacher Aufforderung verließen.
Ist die Jugend wirklich so schlimm? Gibt es Tendenzen, die uns Sorgen machen sollten? Wie verbringt die Kirchhellener Jugend ihre Freizeit? LebensArt hat bei Matthias Hirt von Jugendförderverein Philipp Neri, bei Rudolf Steinmann, Jugendrichter am Bottroper Amtsgericht und Martin Notthoff, Jugendamtsleiter, nachgefragt, wie es um die Jugend in Kirchhellen bestellt ist.
Die Jugendhütte war lange Zeit ein Dorn im Auge mancher Kirchhellener Bürgerinnen und Bürger. Zunächst war der alte Standort am Josef-Terwellen-Platz falsch, dann waren die Jugendlichen auch nach dem Umzug zum Kirchhellener Ring neben der Bezirksverwaltungsstelle zu laut. Mittlerweile hat sich die Aufregung etwas gelegt und es kommen weiterhin regelmäßig Jugendliche dorthin, um gemeinsam Zeit zu verbringen. „Die Hütte ist nach wie vor eine Anlaufstelle und wird gut frequentiert. Eine Fluktuation innerhalb der Gruppe ist meist zum Schulende zu erkennen, wenn einige der Jungen und Mädchen von der Schule in die Ausbildung oder in andere Schulformen wechseln. Dennoch kann man sagen, dass ein Kern bleibt und sich regelmäßig hier trifft“, erklärt Matthias Hirt vom Jugendförderverein Philipp Neri, der als Sozialpädagoge die Jugendhütte betreut und für die Jugendlichen ein Ansprechpartner ist. „Die Mädchen und Jungen suchen einen Ort, an dem sie losgelöst von Elternhaus und Schule oder Arbeit, Zeit verbringen können. Die meisten kommen aus Kirchhellen, aber auch Gladbecker und Bottroper sind hin und wieder dabei.

Wichtig ist die eigene Sozialkontrolle durch die Gruppe.“ Auch wenn es in Kirchhellen zahlreiche Angebote für Jugendliche gibt, seien es diverse Sportvereine, Kirchengruppen, Waldjugend oder Jugendverbände, in denen der Großteil der Jugendlichen sich organisiert, so gibt es immer einige, für die diese Angebote nicht in Frage kommen. „Um ihnen dennoch einen Raum zu geben, Gesprächsangebote bei Problemen zu reichen oder einfach nur einen Unterschlupf bei schlechtem Wetter ist die Jugendhütte eine gute Einrichtung.“ Matthias Hirt ist als Sozialarbeiter aber auch an anderen Plätzen in Kirchhellen anwesend. „Es gibt immer unterschiedliche Orte, an denen sich die Jugendlichen treffen. Lange Zeit war es die Kirche, wo wirklich viel Blödsinn gemacht wurde, da konnten wir einiges erreichen. Andere treffen sich auf der Skaterbahn am Friedhof.“
Grundsätzlich seien die Kirchhellener Jugendlichen nicht besonders auffällig. „Es hält sich im Rahmen. Unter Alkoholeinfluss passieren natürlich immer mal unschöne Dinge, aber außergewöhnlich aggressiv sind sie nicht“, sagt auch Martin Notthoff, Jugendamtsleiter der Stadt Bottrop. In Kirchhellen gibt es da schon eher eine Wohlstandslangeweile, die manch einen dazu bringt, abzuhängen. Doch die starke Jugendverbandsarbeit und die Sportvereine fangen sehr viel auf. Auch Einrichtungen wie die Villa Körner oder Philipp Neri sind für die Kinder und Jugendlichen wichtig. Das ist in anderen Stadtteilen etwas anders. „Wir erarbeiten zurzeit eine Sozialraumanalyse für Kirchhellen, die bestimmt noch mal andere Rückschlüsse ergeben wird.

Auch in Bezug auf das geplante Jugendzentrum am ehemaligen Hof Beckmann werden die Ergebnisse sehr interessant sein.“ Auch Rudolf Steinmann, Jugendrichter am Amtsgericht Bottrop, hält es mit der Jugend in Kirchhellen im Großen und Ganzen gut. „Die Jugendkriminalität hat in den vergangenen Jahrzenten im Allgemeinen zwar stark zugenommen. Aber das ist vor allem ein Ergebnis verstärkter Kontrollen und einer erhöhten Bereitschaft zur Anzeige, weniger die Tatsache, dass auch mehr passiert“, erklärt der Kirchhellener Jugendrichter. Im Gegensatz zu Alt- Bottrop ist in Kirchhellen Jugendkriminalität verstärkt mit dem Konsum von Alkohol in Verbindung zu bringen. Antisemitismus und Rechtsextremismus spielt in Bottrop so gut wie keine Rolle. Die starke soziale Einbindung in Vereinen und durch jugendspezifische Angebote spielt auch hinsichtlich der Kriminalität eine große Rolle. „Dort, wo orientierungsstiftende Milieus und Gruppen wie Sportvereine, Jugendgruppen oder Kirchen an Bedeutung verlieren, ist eine erhöhte Auffälligkeit Jugendlicher erkennbar. Auch die anhaltende Tendenz zu Mobilität fördert Anonymität und Vereinzelung, was wiederrum zum Verlust der sozialen Kontrolle führen kann. Das ist in Kirchhellen nicht der Fall“.
Waren die Aussprüche auf dem Fußballplatz also vielleicht nur spontane Einzelfälle. Das bleibt zu hoffen – immerhin haben die Jugendlichen ausdrücklich darauf hingewiesen, sie seien Gymnasiasten, also die angeblich, zukünftige intellektuelle Elite des Landes – so jedoch nicht! gj