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Das Leben des Altschermbeckers Klemens Niermann

Im münsterländischen Ibbenbüren ist jüngst ein Platz nach Klemens Niermann benannt worden – Glauben und Wirken des gebürtigen Altschermbeckers gingen jedoch weit über die Grenzen von Ibbenbüren hinaus

Schermbeck - Eine hundertseitige Stasi-Akte, als Schleuser hinter DDR-Gittern in Neustrelitz und Rummelsburg und ein Schmuggler von Geld- und Sachspenden in den Osten, der seinesgleichen sucht – diese Biografie passt auf dem ersten Blick nicht unbedingt zu einem katholischen Priester. Doch für sein soziales Engagement ließ sich der 1928 in Altschermbeck ge-borene und 2007 verstorbene Klemens Niermann von Regeln und Gesetzen nicht sonderlich beeindrucken. Zeitgenossen beschreiben ihn als einen, der anpackt. Immer angetrieben von seinem Glauben, der ihm und seinen 13 Geschwistern in die Schermbecker Wiege gelegt worden war, half Klemens Niermann dort, wo Hilfe benötigt wurde. Über Jahrzehnte schmuggelte der Geistliche allerlei Hilfsgüter in die DDR und nach Osteuropa.
 

Vor allem zu einer Gemeinde im weißrussischen Minsk hatte er gute Kontakte. Er half dort unter anderem eine Armenküche aufzubauen. Sogar Glocken für die katholische Gemeinde im thüringischen Eisenberg konnte Klemens Niermann problemlos über die Grenze bringen, indem er die Kontrollen an der Nase herumführte. Bei Grenzübergang meldete er ordnungsgemäß eine 65 und eine 55 Zentimeter große Glocke an. Auf der Rückfahrt brachte er die angemeldeten Glocken wieder mit. Nur waren diese nun durch einen Kommastellentrick auf 6,5 und 5,5 Zentimeter kleine Glöckchen geschrumpft. Was sich aus heutiger Perspektive wie eine Satire liest, war damals ganz und gar kein Spaß. Schmuggler standen in jener Zeit im Visier der DDR-Behörden. Wer erwischt wurde, dem drohten harte Strafen.

Und auch Klemens Niermann mit seinen vielen Kontakten zu Gemeinden in der DDR und Osteuropa stand unter Beobachtung der Stasi. 1977 scheiterte der Versuch, die Freundin eines befreundeten Regisseurs und Künstlers über die Grenze zu schleusen. Der Geistliche wurde unter anderem wegen Beihilfe zur Flucht zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. Das Bistum Münster konnte ihren Priester nach einigem diplomatischen Ringen freikaufen. So ging er als teuerster Priester des Bistums in die Geschichte ein. Nach seiner Entlassung widmete sich Klemens Niermann wieder ganz seinen Aufgaben als Berufsschullehrer und Krankenhauspfarrer in Ibbenbüren. Die Jugendarbeit war ihm schon in seiner Heimat während seines Engagements in der katholischen Jugend in Altschermbeck ein Herzensanliegen gewesen.

Immerfort setzte sich der Priester für alle Hilfsbedürftigen ein. Dabei kümmerte ihn auch hier nicht, was andere denken. Obdachlose bekamen in seinem Hause wochenlang Unterschlupf, Migranten besorgte er Arbeit und Wohnungen, der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde half er bei der Suche nach einem Gebetsraum. Zudem setzte er sich für die Pflege und Erhaltung des jüdischen Friedhofs ein.

Die Ibbenbürener Bürger sind dem 2007 verstorbenen Priester bis heute in tiefer Dankbarkeit verbunden und haben Anfang November einen Platz nach ihm benannt. Der nun eingeweihte Klemens-Niermann-Platz erinnert fortan an das selbstlose Engagement des Altschermbeckers – in der Hoffnung, dass Verständigung und Versöhnung über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg einmal keine Ausnahme mehr sein werden. Als „Brückenbauer zwischen den drei Religionen“ Christentum, Judentum und Islam ist Klemens Niermann in die Stadtgeschichte Ibbenbürens eingegangen. Aber auch in seiner Heimatgemeinde wird man sich sicher gerne an das bewegte Leben, an Glauben und Wirken des Altschermbeckers erinnern. JS


Die Redaktion der LebensArt bedankt sich bei Hermann Ostrop für das zur Verfügung gestellte Material über das Leben von Klemens Niermann.

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