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Sekundarschule kommt – Wenn sie gewollt ist

Eltern der Bottroper Zweit- und Drittklässler werden befragt, ob sie ihr Kind an der Sekundarschule anmelden würden – Mindestens 75 Anmeldungen sind nötig

Kirchhellen - „Ist die Sekundarschule die richtige Schule für mein Kind?” Diese Frage sollen Eltern bald eindeutig beantworten können. Denn der Rat der Stadt Bottrop hat beschlossen, zum Schuljahresbeginn 2015/16 in Kirchhellen die erste Sekundarschule zu gründen. Und die soll in den vorübergehenden Pavillons der Gregorschule an den Start gehen und nach zwei Jahren an den Standort der Hauptschule in Kirchhellen wechseln. Das Hauptschulgebäude soll bis dahin noch modernisiert und durch einen Neubau erweitert werden. Damit die Sekundarschule aber tatsächlich eröffnen kann, müssen mindestens 75 Eltern bereit sein, ihr Kind dort anzumelden.

 

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Im Brauhaus Kirchhellen informierte die Vorbereitungsgruppe Eltern über das pädagogische Konzept der Sekundarschule.
Foto: Jana Golus

„Die Hauptschulen in Bottrop werden nicht mehr genügend angenommen, deshalb wollen wir dafür Alternativen bieten. Auch an der Hauptschule in Kirchhellen ist die Nachfrage rückläufig und eine Realschule hat hier keinen Sitz, deshalb wollen wir mit der Sekundarschule eine neue, attraktive Schule in Kirchhellen schaffen“, sagt Karl Trimborn, Fachbereichsleiter Jugend und Schule der Stadt Bottrop. Bislang pendeln viele Kirchhellener Schüler aus, um eine Realschule zu besuchen. Mit der Sekundarschule soll das nicht mehr notwendig sein, da diese Schulform für alle Kinder geeignet sei, für Kinder mit Förderbedarf sowie auch für Kinder mit Empfehlung für ein Gymnasium. Denn in einer Sekundarschule erhält jeder Schüler die Chance, in seinem eigenen Tempo und auf seinem eigenen Niveau zu lernen. Im Vordergrund sollen dabei die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler stehen und nicht ihre Schwächen und Fehler.

Nach zahlreichen Diskussionen um die Organisationsform der künftigen Schule, wurde im Rat der Stadt Bottrop beschlossen, die Schule in teilintegrierter Form zu führen. Das bedeutet, dass unter Beibehaltung der Klassenverbände, in einzelnen Fächern Neigungs- und Leistungsprofile gebildet werden, bei denen die Schüler nach ihren persönlichen Neigungen und auf ihrem individuellen Leistungsniveau lernen können. Bei der teilintegrierten Sekundarschule findet in den Jahrgangsstufen fünf und sechs gemeinsames Lernen statt. Ab der Jahrgangsstufe sieben gibt es eine schrittweise Differenzierung in den Kernfächern. Dabei werden die Schüler in Grund- und Erweiterungskursen je nach ihrem individuellen Lernstand unterrichtet. Die Schüler gehen ohne Versetzung in die Jahrgangsstufen sechs bis neun über. Die Schulkonferenz kann nach Rücksprache mit den Eltern aber eine Wiederholung der Jahrgangsstufe empfehlen.

Eine Vorbereitungsgruppe wurde beauftragt ein pädagogisches Konzept für diese Schule zu entwickeln. Dieses Konzept wird nun den Eltern in einer Reihe von Informationsveranstaltungen vorgestellt, um ihnen die Entscheidung für oder gegen die Sekundarschule zu erleichtern. „Zu dieser Vorbereitungsgruppe gehören Vertreter aller Schulformen in Bottrop”, sagt Maria Schulte-Coerne, Mitglied der Vorbereitungsgruppe, Oberstufenleiterin der Gesamtschule Horst in Gelsenkirchen und Schulentwicklungsberaterin der Bezirksregierung Münster.

 

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Karl Trimborn, Maria Schulte-Coerne und Hanno Bühren versuchen den Eltern die Sekundarschule näher zu bringen.
Foto: Jana Golus

Die Eltern sollen eine möglichst konkrete Vorstellung von der Schulform erhalten, denn bereits Ende Juni findet die gesetzlich vorgeschriebene Elternbefragung statt, bei der die Eltern sich entscheiden sollen: „Falls es im Schuljahr 2015/2016 eine teilintegrierte Sekundarschule in Bottrop-Kirchhellen gäbe, würden Sie Ihr Kind dort anmelden?” Bei dieser Befragung sollen alle Eltern von Bottroper Schülern der zweiten und dritten Klassen berücksichtigt werden. Mindestens 75 Eltern müssen sich diese Schulform für ihr Kind vorstellen können, damit der Rat der Stadt Bottrop im September einen entsprechenden Errichtungsbeschluss fassen kann. Danach muss die Errichtung der Schule von der Bezirksregierung genehmigt werden. Im Februar 2015 findet dann ein vorgezogenes Anmeldeverfahren statt und 75 Schülerinnen und Schüler müssen verbindlich angemeldet werden, damit die Sekundarschule zum Schuljahresbeginn 2015/16 an den Start geht. Um Bedenken der Eltern hinsichtlich dieser für Bottrop und Kirchhellen noch völlig neuen Schulform abzubauen, veranstaltet die Vorbereitungsgruppe verschiedene Informationsveranstaltungen. Die erste Veranstaltung fand im Mai im Brauhaus Kirchhellen statt. 

Hierbei wurden der Schultyp und das schulische Konzept vorgestellt und es ging um Themen wie die Arbeit in heterogenen Lerngruppen, was sich hinter dem Begriff „SEGEL-Unterricht“, also selbstgesteuertes Lernen, verbirgt, wie die Leistungsbewertungen vorgenommen werden, wie die räumliche Situation der künftigen Sekundarschule aussehen wird und wie sich die Kooperation unter anderem mit dem benachbarten Gymnasium gestalten soll. „Denn die Sekundarschule soll alle Bildungsgänge möglichst lange offen halten”, erklärt Maria Schulte-Coerne. Bedenken der Eltern, dass leistungsstarke Kinder nicht genügend gefördert werden könnten, sollen durch eine Kooperation mit dem Vestischen Gymnasium entkräftet werden. „Durch diese Kooperation können leistungsstarke Kinder an den Lernstandserhebungen des Gymnasiums teilnehmen und es soll gemeinsame Angebote für Sekundarschüler und Gymnasiasten im Bereich der Sprachen geben”, sagt Maria Schulte-Coerne. „Auch intern wird es einige Möglichkeiten geben, wie Projektunterricht im Bereich der Gesellschaftslehre, bei dem die Schüler eigenständig Themen erarbeiten und präsentieren.”

Während des Informationsabends im Brauhaus wurde das Konzept der Sekundarschule an zwei Beispielen für die Eltern erläutert. Zum einen wurde ein Film gezeigt, der die Lernabläufe in der Europaschule Rheinberg veranschaulicht und zum anderen waren die Schulleiterin, ein Lehrer und der Schulpflegschaftsvorsitzende der Sekundarschule Drensteinfurt vor Ort, um zu erläutern wie bei ihnen gemeinsames, aber gleichzeitig individualisiertes Lernen funktioniert. Auch in der Sekundarschule Drensteinfurt gibt es beispielsweise SEGEL-Unterricht. „In den SEGEL-Stunden suchen sich die Kinder aus, wann sie an welchen Aufgaben arbeiten möchten. Dafür gibt es Wochenplanhefte und Wochenaufgaben“, erklärt Ulrike Rupieper, Schulleiterin der Teamschule in Drensteinfurt. „Die eigenen Zielsetzungen des Kindes sind dabei das Wichtigste. Das Kind soll sich überlegen, was es lernen will und das auch formulieren“, sagt Sekundarschullehrer Karl Kampelmann.

Dieses selbstgesteuerte Lernen weckt bei vielen Eltern allerdings Bedenken. „Was ist wenn das Kind faul ist?“, fragt eine Frau aus dem Publikum. Die Angst, dass Kinder sich bei dieser Art des Lernens immer die einfachsten Aufgaben aussuchen ist auf Seiten der Eltern merklich vorhanden. Lehrer Karl Kampelmann hat da eher andere Erfahrungen gemacht: „Meistens wollen die Kinder zeigen, was sie können und suchen sich deshalb nicht das Einfachste aus. Außerdem ermutigen wir sie auch schwerere Aufgaben zu probieren.“ Die Vorbereitungsgruppe ist sich einig, dass beim Konzept der Sekundarschule die schwächeren Schüler profitieren und die stärkeren Schüler dadurch zumindest keine Nachteile hätten, dafür aber durch die besondere Art des Lernens, bei der sie den schwächeren Schüler helfen, beträchtliche soziale Gewinne. „Ich denke, dass auch die stärkeren Schüler von diesem Lernen profitieren“, sagt Ulrike Rupieper,  Schulleiterin der Teamschule in Drensteinfurt.

Dass die Eltern der Sekundar­schule in Kirchhellen dennoch skeptisch gegenüberstehen, wird deutlich, als sich eine Frau im Publikum zu Wort meldet: „In Kirchhellen machen sich viele Eltern Gedanken, ob das nicht ein bisschen ein Versuchskaninchen ist“, deshalb seien auch viele Eltern der Informationsveranstaltung fern geblieben, da sie der Schule von vornherein keine Chance geben. „Die Sekundarschule ist keine Versuchsschule, sondern eine Regelschule mit Ausbildungsordnung, Lehrplänen und Vorschriften, die eingehalten werden müssen“, entkräftet Uwe Biel, Schulaufsichtsbeamter der Stadt Bottrop, diese Bedenken.

Für alle Unentschlossenen fasst Stefan Völlmert, stellvertretender Leiter der Hauptschule Kirchhellen zusammen, für welche Kinder die Sekundarschule besonders geeignet ist: „Die Sekundarschule kann gut sein für Schüler, bei denen die Entwicklung nach Klasse vier noch nicht so eindeutig ist. Sie ist gut für Eltern, die ihre Kinder individuell betreut wissen möchten. Die Sekundarschule ermöglicht selbständiges Lernen und bietet möglichst kleine Klassen mit 25 bis maximal 29 Schülern. Für Kinder in Kirchhellen bietet sie einen kurzen Schulweg. Außerdem ermöglicht sie ein Abitur nach neun Jahren und nicht bereits nach acht Jahren. Als geplante Ganztagsschule ist die Sekundarschule gut für Kinder, die Nachmittags nach Hause kommen und dann frei haben sollen und keine Hausaufgaben mehr machen müssen.“ Zudem sei die Schule auch gut für Kinder, die Sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf haben, ergänzt sagt Maria Beusing, Sonderpädagogin an der Hauptschule Kirchhellen. „Ich würde meine Tochter an der Sekundarschule anmelden, weil ich sie in Kirchhellen lassen möchte“, sagt eine alleinerziehende Mutter nach der Informationsveranstaltung. „Ich hoffe deshalb, dass der Sekundarschule eine Chance gegeben wird.“

Ein weiterer Informationsabend fand Anfang Juni im Heinrich-Heine-Gymnasium in Bottrop statt. Und der letzte Elterninformationsabend findet am Donnerstag, 12. Juni um 18 Uhr am Übergangsstandort der Gregorschule, Gregorstraße/Ecke Wiedau, statt, da die Sekundarschule hier zunächst an den Start gehen soll, bevor sie nach zwei Jahren an den Standort der Hauptschule wechselt. Hier können während des Informationsabends das Gebäude und die Klassenräume besichtigt werden. Außerdem werden Materialien und Bücher für die Sekundarschule vorgestellt. Für Fragen steht die Vorbereitungsgruppe zur Verfügung. go

Weitere Informationen für Eltern und interessierte Bürger zur neuen Sekundarschule sind auf der Internetseite der Stadt Bottrop zusammengefasst unter www.bottrop.de/sekundarschule.

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