Gladbeck
Die Leiterin des Jugendamtes der Stadt Gladbeck im Interview mit der Lebensart über die schwierige Situation der Corona-Pandemie
Mitarbeiter des Jugendamtes erzählen.Foto: phonix_a / Adobe Stock

Gladbecker Jugendamt in der Corona-Krise – Ein Interview

Die Pandemie hat Einfluss auf alle Bereiche des Lebens, deswegen haben wir mit der Leiterin des Jugendamts Christine Hillebrand gesprochen

Gladbeck -

Wir haben nachgehört, welche merkbaren Unterschiede es durch die Pandemie gibt und wie sich die Mitarbeiter des Jugendamts mit der Situation arrangieren.

Wir berichteten im Zusammenhang mit der Corona-Krise bereits viel über die Veranstaltungsbranche, Gastronomie und das öffentliche Leben. Doch nicht nur in diesen Bereichen haben Menschen mit den Auswirkungen und Folgen der Pandemie zu kämpfen.

Inwiefern hat die Corona-Krise die Arbeit des Jugendamts beeinflusst?

Christine Hillebrand: Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes Gladbeck trotz schwieriger Bedingungen durchgängig in der Lage sind, den Gladbecker Familien in dieser besonders herausfordernden Zeit zur Seite zu stehen. Die Art und Weise, wie die Betreuung und Beratung erfolgten, wurde durch die Corona-Krise beeinflusst, die Qualität der Arbeit ist aber trotz notwendiger Distanz weiterhin hoch.

Gibt es drastische Veränderungen während eines Lockdowns?

Christine Hillebrand: Die Mitarbeiter des Jugendamtes arbeiten seit Anfang 2020 in zwei Kontaktgruppen, die sich im täglichen Wechsel im Amt beziehungsweise im Homeoffice befinden. Alle Mitarbeiter wurden mit Diensthandys ausgestattet, sodass die Erreichbarkeit auch im Homeoffice gewährleistet werden kann. Sowohl im Homeoffice als auch während der Präsenztage im Amt sind die Kollegen weiterhin zum Teil im Außendienst tätig, nehmen Gerichtstermine und Hausbesuche wahr. 

Persönliche Kontakte unter den Mitarbeiter wurden auf das Nötigste reduziert. Beratungen finden zum Teil per Telefon oder Videokonferenz statt.

Gibt es für die betreuten Familien mehr Probleme durch das Virus hinsichtlich Kontaktbeschränkungen?

Christine Hillebrand: Familien, die durch das Jugendamt Gladbeck betreut werden, werden nach wie vor durch die Mitarbeiter erreicht. Beratungsleistungen und alle Hilfen zur Erziehung werden nach wie vor angeboten und umgesetzt. Zur Minderung des Infektionsrisikos wurde zum Teil auf Video- und/oder Telefon gestützte Kontakte ausgewichen. Reguläre Beratungs- und Hilfeplangespräche finden teilweise als Video- oder Telefonkonferenz statt. Krisengespräche und Meldungsüberprüfungen erfolgen unter Berücksichtigung der Maßnahmen zur Minderung des Infektionsrisikos standardmäßig nach wie vor persönlich, in Form von Hausbesuchen oder Kontakten im Amt.

Haben bestimmte Risikofaktoren wie zum Beispiel das Gewaltpotenzial in Familien nachweislich zugenommen?

Christine Hillebrand: Die Kindeswohlgefährdungsmeldungen, die das Jugendamt Gladbeck in 2020 erreicht haben, haben im Vergleich zum Vorjahr (2019) deutlich zugenommen. Dieser Zuwachs spricht zum einen für eine zunehmende Belastung innerhalb der Familien, zum anderen aber auch dafür, dass Melder genauer hinschauen und „sich trauen", Beobachtungen an das Jugendamt zu melden. Es ist zwar naheliegend, dass die Belastungen innerhalb der Familien dazu führen können, dass die Geduld schneller erschöpft ist und dass dies möglicherweise zu einem zunehmenden Gewaltpotenzial führen kann. Allerdings liegen uns keine Nachweise vor, die diese These klar belegen.

Haben sich Probleme Corona bedingt auch so zugespitzt, dass die Behörde keinen anderen Weg mehr sah, als Kinder vorerst aus der Familie zu holen?

Christine Hillebrand: Die Herausnahme von Kindern als drastischster Eingriff in Elternrechte ist immer ein „letztes Mittel", um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Die Corona-Maßnahmen stellen Familien vor große Herausforderungen. Familien, die ohnehin schon mit besonderen familiären Problemlagen zu kämpfen haben, sind ohne Frage besonders betroffen. Die Herausnahmen, die in den letzten Monaten durch das Jugendamt Gladbeck veranlasst werden mussten, hatten vielfältige Ursachen, wie beispielsweise Vernachlässigung oder Gewaltanwendung. Eine Zuspitzung der Problemlagen durch die Corona bedingten Maßnahmen sind nicht auszuschließen, jedoch auch nicht belegbar.

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Aileen Kurkowiak

Aileen Kurkowiak

aileen.kurkowiak@aureus.de

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