Gladbeck
Foto: Nicole Gruschinski

Probst Thomas Zander im Porträt

Lebensart sprach mit dem Probst über das Zölibat, Frauen in der Kirche und seine Liebe zu Ruhrgebiet

Gladbeck -

Seit Dezember 2023 ist Probst Thomas Zander als Nachfolger von André Müller in Gladbeck tätig. Die feierliche Einführung in das Amt fand am 3. Advent 2023 in St. Lamberti statt. Doch war Gladbeck ihm im Vorfeld nicht fremd. Seine erste Stelle als Kaplan hatte er in St. Johannes in Bottrop-Boy, wo er sich auch bei den Pfadfindern engagierte und als Kurat im DPSG-Bezirk Bottrop-Gladbeck tätig war. Daher waren ihm einige Orte in Gladbeck durchaus vertraut. Als gebürtiger Bueraner verbindet ihn zudem eine besondere Beziehung zu St. Lamberti. „Vom Balkon meiner Eltern aus konnte ich immer den Kirchturm von St. Lamberti sehen.“ Schon als Kind hatte er diesen Ausblick, und so war es fast unvermeidlich, dass Thomas Zander eines Tages hier Priester wird. Zeit also, Thomas Zander auch hier in der Lebensart mal etwas genauer vorzustellen.

Wie kommt man vom Essener Dom als Domprobst nach Gladbeck?

Probst Zander: Für mich war klar, dass ich gerne noch einen Wechsel wollte. In Essen standen Umstrukturierungen an und ich war 10 Jahre Domprobst und damit war klar, dass das eigentlich ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel war. Eine Optionen war Gladbeck und das konnte ich mir gut vorstellen, weil ich ein heimatverbundener Mensch bin und hab, meine Freunde würden das bestätigen, eigentlich immer mal wieder gesagt, wenn es so auf den Ruhestand hin geht oder wenn sich nochmal eine gute Möglichkeit ergibt, wieder in die Nähe der Heimat zu kommen, dann würde ich das gerne tun. Von daher war das eine gute Fügung.

Was verbindet Sie mit der Region?

Probst Zander: Ich bin schon ein Mensch des Ruhrgebiets, besonders des nördlichen Ruhrgebiets, weil hier in unseren Städten und da zähle ich Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen-Buer dazu, der Übergang vom Ruhrgebiet zum Münsterland ist und das liegt mir sehr. Außerdem habe ich noch viele Freunde aus alten Zeiten hier in der Region. Zudem wohnt meine Mutter in Buer. Sie ist jetzt 87 Jahre alt und braucht viel Unterstützung und da ich keine Geschwister habe, hat das auch einen praktischen Grund. Von hier aus bin ich in acht Minuten in der Buerschen Straße, wo ich aufgewachsen bin und meine Mutter heute noch lebt. Von Essen aus habe ich manchmal eineinhalb Stunden gebraucht.

Was schätzen Sie besonders an Gladbeck?

Probst Zander: Ich schätze vor allem die offene Art der Menschen, die mir bisher begegnet sind. Ich bin hier sehr freundlich aufgenommen worden, das gefällt mir gut. Ich glaube, weil ich selbst hier in der Region aufgewachsen bin, habe ich auch eine Nähe zu diesem Menschenschlag. Gladbeck ist eine überschaubare Stadt im Vergleich zu Essen, die eben auch eine Randlage zum Grünen hat, das mag ich sehr. Man ist sowohl mit dem Fahrrad als auch zu Fuß schnell im Grünen. Schloss Wittringen mit dem Park und Wald sind ganz wunderbar, im Nordpark joggen oder auch mit dem Fahrrad nach Feldhausen zu fahren, das gefällt mir sehr gut.

Stichwort Kirchenaustritte, bemerkt man das hier auch?

Probst Zander: Statistisch ist es ja aktuell so, dass es nicht mehr wird. Der Höchststand war durch den Missbrauchsskandal, das merkte man schon. Da erlebe ich auch das Menschen teilweise mit Vorbehalten mit uns als Kirche in Begegnung treten. Genau genommen merkt man so etwas bei Kondolenzgesprächen oder bei Alltagsbegegnungen. Dann wird schon mal gefragt, „was ist das für ein Verein zu dem du da gehörst“. Manchmal sind es auch persönliche Enttäuschungen, dass jemand zum Beispiel nicht den gewünschten Kita-Platz bekommen hat oder sich in einem katholischen Krankenhaus nicht gut behandelt fühlt. Meist ist das aber ein Entfremdungsprozess, der sich schon längere Zeit hinzieht. Das sind Leute, die schon sehr lange keine Bindung an die Kirche mehr haben und wenn dann so eine Erfahrung dazu kommt oder eine Steuererhöhung, dann ist das oft der Schritt in den Austritt. Die Gründe sind oft vielschichtig. Ansonsten vollziehen sich so Kirchenaustritte eher unspektakulär beim Amtsgericht. Wir bekommen die Konsequenz dann irgendwann mitgeteilt.

Was kann die Kirche tun?

Probst Zander: Als erstes meine ich, muss die Kirche akzeptieren, dass Menschen freie Entscheidungen treffen und sich für oder gegen die Kirche entscheiden. Das ist anders als noch vor 50 Jahren, als noch der soziale Druck viel höher war als jetzt. Daher ist das, was wir nun erleben, viel ehrlicher, und das ist auch gut. Die Menschen sind zudem oft sehr enttäuscht, wenn eine Kirche geschlossen wird. Das höre ich jede Woche mindestens fünf Mal. Sie sind gewohnt sehr in traditionellen Strukturen zu leben. Es verändert sich sowieso schon so viel in der Welt, wenn sich dann noch die gewohnten kirchlichen Strukturen verändern und auf einmal eine Kirche nicht mehr da ist, dann ist das für manche Gläubige ein Einschnitt. Es ist allerdings eine Illusion, wenn die Kirche sich nicht verändern würde. Das muss sie sogar und sich den Bedingungen der Menschen anpassen. Hinzu müssen wir als Kirche glaubwürdiger werden in dem, was wir sagen oder tun und in dem wir nicht Dinge von Menschen erwarten, die wir selbst nicht tun. Klar kommunizieren, wie auch unsere Situation ist. Ich versuche, seitdem ich hier bin, den Menschen in Gladbeck immer wieder zu sagen, dass unsere finanziellen Mittel zurückgehen, kontinuierlich und unsere personellen Ressourcen. Wenn ich mir hier in Gladbeck die Priester ansehe, die hier tätig sind, sind es jetzt noch relativ viele, aber dabei sind wenig junge Priester. Ich bin jetzt 63 und neben mir sind noch zwei Priester Anfang 50 hier tätig und wir sind damit die jüngsten Pfarrer. Das ist eine Realität, weil die Erwartung, die bei vielen Menschen da ist, die werden wir nicht erfüllen können. Ich bin in meinem Alter zum Beispiel kein lebendiger Jugendseelsorger, das war ich vor 30 Jahren vielleicht mal, da habe ich ganz viel Jugendarbeit gemacht und das mit großer Freude. Aber das ist nun mal ans Lebensalter gebunden.

Haben sie denn in Gladbeck schon etwas verändert, was vorher vielleicht nicht ganz optimal war?

Probst Zander: Eine ganz wesentliche Veränderung ist, dass ich mit einem Leitungsteam unterwegs bin. Wir versuchen die Leitungsaufgaben der Pfarrei aufzuteilen. Dazu gehören Norbert Dahlmann, der vor allem für die wirtschaftlichen Verwaltungthemen zuständig ist, Gemeindereferentin Beatrix Klein-Wiele, die mit mir im Bereich Personalwesen zusammenarbeitet und Pastoralreferent Mark Bothe, der sehr viele organisatorische Aufgaben wahrnimmt und unter anderem für den Pfarrgemeinderat und das K4, das Sozialpastorale Zentrum zuständig ist. So haben wir uns die Leitung der Pfarrei ein wenig aufgeteilt unter meiner Leitung als Pfarrer und Probst.

Was macht die Pfarrei Sankt Lamberti für sie besonders?

Probst Zander: Hier in der Pfarrei finde ich die Vielfalt in den Kirchen, die wir haben besonders schön hinsichtlich der Architektur. Angefangen bei St. Lamberti über Heilig Kreuz oder Herz Jesu. Da ist mir auch wichtig, dass wir für die Stadt gute Lösungen finden, was mit den Kirchen passiert. Wir sind in Verhandlung mit der Stadt und den Investoren, was die weitere Nutzung angeht und dass wir die Gebäude nicht nur erhalten, sondern auch so nutzen, dass sie den Menschen der Stadt auch weiterhin dienen. Wir lassen die Kirchen solange auf, bis wir eine Nachfolgelösung gefunden haben, das heißt, es finden dort auch weiterhin Gottesdienste statt. Die nächste Kirche, die aufgegeben wird, ist Sankt Franziskus in Rentfort-Nord, wahrscheinlich Anfang Januar 2026. Da wird dann aber sehr bald danach schon etwas Neues entstehen. Dort werden Wohnungen und eine Kita durch einen Investor entstehen. Dazu soll ein Haus mit einem Gemeinschaftsraum entstehen, was wiederum der Allgemeinheit zugutekommt.

Warum schließen so viele Kirchen, wie zum Beispiel Sankt Franziskus?

Probst Zander: Die Kirche ist 1975 geweiht worden, das ist jetzt 50 Jahre her. Heute müssen wir sagen, die Zeit ist darüber hinweggegangen. Die Realität ist auch, dass wenn ich samstags Abend die Vorabendmesse dort feiere, sind da circa 30 Leute. Die Jüngsten sind etwa in meinem Alter. Die Leute sind dann immer ganz emotional, aufgrund der drohenden Schließung und sagen, wie schlimm das ist und es muss doch weitergehen. Aber dann gucken sie sich an, ohne dass ich etwas sage und stellen fest, was ist in zehn Jahren, wenn der ein oder andere auch nicht mehr da ist? Anders sieht es in Sankt Josef in Alt-Rentfort aus, da sind die Reihen noch einigermaßen gut gefüllt. Aber auch da droht die Gefahr, dass zehn Jahre weiter vielleicht nur noch wenige Gläubige in den Gottesdienst kommen, da auch dort mittlerweile nur sehr wenige junge Menschen die Kirche besuchen. Auch die helfenden Hände bei Pfarrfesten oder Veranstaltungen, das sind überwiegend Leute meines Alters.

Wie angekommen ist die Kirche in der Moderne

Probst Zander: Sie steht und das ist ja auch gut so, nicht der Welt gegenüber, sondern ist Teil der Welt. Und wenn die Welt sich dreht und verändert, verändert sich die Kirche auch. Aber auch in der Kirche gibt es Menschen, die keine Veränderung wollen. Nicht nur in den Gemeinden, sondern auch in Rom.

Wie sehen Sie die Entwicklung aktuell in Rom

Probst Zander: Papst Franziskus hat schon ein wenig Schwung reingebracht, zwar nicht solche konkreten Veränderungen, wie wir uns das gewünscht hätten, aber er hat das Rad so in Bewegung gebracht, dass es sich auch nicht wieder zurückdrehen lässt. Ich kenne den neuen Papst zu wenig, aber die ersten Eindrücke sind positiv. Ich glaube schon, dass er den Weg fortsetzt. Er scheint mir aber vom Typ her eher in sich gekehrter und zurückhaltender zu sein. Man hat in letzter Zeit allerdings wenig von ihm gehört, aber vielleicht ist das ja klug und er verschafft sich erst mal einen Überblick und geht nicht direkt mit der Brechstange dran. Möglicherweise trifft er auch hinter den Kulissen bereits wichtige Entscheidungen.

Was sagen Sie zum Thema Frauen in der katholischen Kirche?

Probst Zander: Da bin ich ganz klar offen. Die Kirche muss, wie ich ja schon erwähnte, offen sein und darf keine Parallelwelt aufbauen. Wir leben in Zeiten weitgehender Gleichberechtigung und für uns als Kirche sind die Grundlagen dafür weitgehend angelegt, also auch in der Erschaffung von Mann und Frau und wenn wir sagen „gleich an Würde“, dann muss es auch gleiche Rechte geben, sonst ist das unglaubwürdig. Klar wäre es auch für mich schwierig damit umzugehen, würde der Papst ab morgen auch Frauen für das Priesteramt zulassen, aber es wäre richtig. Die Anerkennung von Maria Magdalena als Apostel war möglicherweise ein Schritt in die Richtung, dass es irgendwann auch Priesterinnen geben wird. Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass wir dann auf einmal wesentlich mehr Priesterkandidaten hätten. Denn dadurch wird der Prozess der Säkularisierung nicht aufgehalten. Aber es würde zumindest zu einer größeren Glaubwürdigkeit der Kirche führen.

Was denken Sie über die Beibehaltung des Zölibats? Ist das noch zeitgemäß?

Probst Zander: Das steht für mich außer Frage, dass auch jemand, der verheiratet ist, ein ebenso guter Priester sein kann. Das sehen wir ja auch in der evangelischen und orthodoxen Kirche. Das sind sehr gute und glaubwürdige Seelsorger. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es da eine Veränderung geben wird, die Frage ist nur wann. Es gibt ja jetzt schon Ausnahmen, zum Beispiel, wenn ein evangelischer Pfarrer konvertiert und katholisch wird, verheiratet ist und Kinder hat. Oder was wir jetzt erleben, dass aus der Ukraine auch einige Priester geflüchtet sind. Das ist eine orthodoxe Kirche, die mit der römisch-katholischen Kirche in Gemeinschaft sind und den Papst anerkennt. Auch hier gilt das Zölibat nicht, da auch diese oft Familie haben.

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Nicole Gruschinski

Nicole Gruschinski

n.gruschinski@aureus.de

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