„Wir verzeichnen eine Steigerung von 1.500 bis 2.000 Einsätzen pro Jahr“, rechnet Georg Fragemann, zuständiger Abteilungsleiter für den Rettungsdienst vor. Ins Gewicht fällt dabei besonders die steigende Zahl von Bagatelleinsätzen, jenen Fahrten, die aus medizinischer Sicht nicht notwendig gewesen wären. „Wir appellieren immer wieder an die Bürger, die 112 nur im Notfall zu wählen – und in allen anderen Fällen den Hausarzt oder die Ambulanz aufzusuchen. Dennoch ist es unser Ziel, allen Bürgern die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen“, erläutert Koryttko.
112 nur im Notfall wählen
Dies bedeutet unter dem Strich: Um die Versorgung sicherzustellen und die Hilfsfristen einzuhalten, werden mehr Fahrzeuge und mehr Personal benötigt. Diesem Umstand trägt der nun im September Kreistag verabschiedete Rettungsdienstbedarfsplan Rechnung, in dem Kennzahlen, Standorte sowie weitere Qualitätsanforderungen für einen Zeitraum von fünf Jahren festgelegt werden. Eine der wichtigsten Botschaften: „Wir haben unser Ziel erreicht und halten die Acht-Minuten-Hilfsfrist für das gesamte Stadtgebiet“, unterstreicht Thorsten Korrytko, Leiter der Feuerwehr. Ursprüngliche Planungen sahen für den Stadtteil Ellinghorst eine Hilfsfrist von 12 Minuten vor, was jedoch durch Intervention von Bürgermeisterin Bettina Weist abgewendet werden konnte. Generell kann im Jahr 2023 bereits eine bessere Quote bei der Einhaltung der Hilfsfristen gegenüber 2021 erreicht werden: Lag die Quote vorher bei rund 56 Prozent, so wird nun zu 67 Prozent die Hilfsfrist von acht Minuten eingehalten. „Das bedeutet: In diesen Fällen ist der Rettungswagen in maximal acht Minuten an der Einsatzstelle“, erläutert Georg Fragemann. Um gegebenenfalls schneller in den Einsatz zu kommen, wird auch geprüft, ob der Standort des Notarzteinsatzfahrzeuges (NEF) zum St. Barbara Hospital verlegt werden kann und das bisherige „Rendezvous-System“, bei dem der Notarzt am Krankenhaus abgeholt wird, abgelöst wird. Erste Gespräche dazu haben bereits vor dem Kreistagsbeschluss stattgefunden, beide Seiten sind diesem Plan offen gegenüber eingestellt, wenn sich dadurch positive Effekte ergeben.
Hilfsfrist von Acht Minuten wird eingehalten
Darüber hinaus sieht der Rettungsdienstbedarfsplan einen zusätzlichen Rettungswagen-Standort im Gladbecker Süden vor, der mit rund 13.000 Menschen der am dichtesten besiedelte ist. Denn klar ist: die Leistungen im Rettungsdienst müssen ausgeweitet werden. Ein zusätzlicher Rettungswagen, der täglich von Montag bis Freitag 12 Stunden besetzt werden muss, sowie ein Krankentransportwagen (KTW) in den Nachstunden mit ebenfalls 12 zusätzlichen Stunden, werden den bisherigen Fuhrpark erweitern.
Mit Blick auf den Standort für den zusätzlichen Rettungswagen ergeben sich Detailfragen, die noch genauer durch die Verwaltung geprüft werden müssen. „Die Versorgungssicherheit und die Einhaltung der Hilfsfristen sind das oberste Gebot, zudem muss eine Wirtschaftlichkeit gegeben sein sowie das bestehende und funktionierende System berücksichtigt werden. Dies alles im Rahmen der rechtlichen Bedingungen, insbesondere des Vergaberechtes“, erklärt Dr. Volker Kreuzer. Deshalb wäre eine konkrete Aussage zum jetzigen Zeitpunkt zu früh, wie der zusätzliche Bedarf künftig abgedeckt werden soll. Eine Arbeitsgruppe aus Politik und Verwaltung soll gemäß eines HFDA-Beschlusses aus dem Jahr 2021 ins Leben gerufen werden, um alle Möglichkeiten zu betrachten und Vor- und Nachteile abzuwägen. Der zusätzliche KTW soll von Dorsten besetzt werden und beide Städte abdecken.
Telenotarztsystem
Im Bereich des Personals plant die Feuerwehr seit Jahren sehr umsichtig, erhöhte bereits vor Beschluss des Rettungsdienstbedarfsplanes in Kooperation mit dem Kreis, der Träger des Rettungsdienstes ist, die Ausbildungsquote für Notfallsanitäter. So haben zum 1. August bereits sieben Auszubildende statt wie bisher drei ihren Dienst aufgenommen. „Ziel ist es, dem Fachkräftemangel so früh wie möglich entgegen zu wirken“, sagt Thorsten Koryttko. Durch die Anpassung der medizinisch-technischen Ausstattung auf den stets aktuellsten Stand, die Verbesserung der Pflichtfortbildungen, sowie der Digitalisierung im Zuge der Einführung des Telenotarztsystems, des app-basierten Ersthelfersystems oder der
Rettungsdienst-Dokumentation, erhofft sich die Feuerwehr zudem eine weitere Steigerung der Versorgungsqualität.
Feuerwehr gut aufgestellt
Dass die Gladbecker Feuerwehr trotz erschwerter Bedingungen bereits jetzt sehr gut aufgestellt ist, unterstreicht Feuerwehr-Chef Thorsten Koryttko: „Wir haben auch während der Pandemie kein Auto unbenutzt gelassen, sondern haben sichergestellt, dass alle Fahrzeuge an allen 365 Tagen über 24 Stunden besetzt waren – durch Mehrarbeit und Dienstplanverschiebungen konnten wir zu jederzeit die Notfallrettung sicherstellen.“ Ein besonderes Lob gab es daher von Interims-Dezernent und Stadtbaurat Dr. Volker Kreuzer: „Das war ein hoher Einsatz und eine große Leistung der Kolleginnen und Kollegen im Brandschutz und im Rettungsdienst.“ Dennoch zeigt der Rettungsdienstbedarfsplan, dass einiges an Arbeit auf die Gladbecker Feuerwehr zukommt. Ein festes Zeitfenster, in dem die Umsetzung erfolgen muss, gibt es nicht. „Alle Maßnahmen, die im Zuge des Rettungsdienstbedarfsplans umgesetzt werden müssen, zahlt am Ende nicht die Stadt Gladbeck, sondern werden durch die Kostenträger, die Krankenkassen, refinanziert“, merkt Dr. Kreuzer jedoch an.