Vor acht Jahren hat der Prozess begonnen und am 22. August 2016 war es dann so weit: Die letzten der rund 3.000 Schweine gingen bei Burkhard Sagel vom Hof und die Umstellung auf eine tierfreundlichere Haltung wurde in Angriff genommen. Die Idee dahinter ist so simpel wie logisch – möchte man meinen. Nach dem Motto „Fleisch essen ohne schlechtes Gewissen“ beinhaltet das Konzept von Bauer „Bu“ – wie ihn Freunde und Bekannte nennen – vor allem das Prinzip eines respektvollen Umgangs mit den Tieren.
Auch unsere Redaktion staunte nicht schlecht bei der Begehung des Hofes am Dahlberg: Jede Menge Platz für eine überschaubare Zahl Tiere, viel Licht und frische Luft in einer außerordentlich familiären Atmosphäre. Automatisch stellt sich die Frage: So toll wie die Haltung der Rinder auch ist, wie kann man daraus Profit schlagen, den Hof unterhalten und selber noch davon leben? Die einfache Antwort ist: Es geht, reich würde man davon allerdings nicht, erklärt uns der Landwirt.
Die Idee
Noch vor einigen Jahren betrieb auch Burkhard Sagel selbst konventionelle Tierhaltung, doch auch bei ihm hat ein Umdenken stattgefunden. „Die Achtung vor einem Tier muss an erster Stelle stehen. Ich bin ehrlich und kann eindeutig sagen, dass ich nie wieder so viel Geld verdienen werde wie noch vor ein paar Jahren, so viel steht fest. Aber je mehr Menschen mitziehen und in die Tat umsetzen, was erzählt wird, umso mehr Schritte gehen wir in die richtige Richtung,“ erzählt der Landwirt. Damit gemeint ist die Behauptung vieler Menschen Wert auf Qualität, Tierwohl und Nachhaltigkeit zu legen, dann jedoch auch dementsprechend zu handeln, steht auf einem anderen Blatt Papier. Völlig logisch, der Markt ist umkämpft, der Anspruch an ein Stück Fleisch ist hoch, zu teuer darf es allerdings nicht sein.
Jeder Landwirt ist für das Überleben des eigenen Betriebes verantwortlich. Dennoch müsse man etwas dafür tun, dass die Menschen anfangen, Worte auch in die Tat umzusetzen, ist Burkhard Sagel wichtig. „Ich mache nicht grundlos jeden Tag in den sozialen Medien Werbung für die Idee. Wichtig ist, den Menschen die Unterschiede aufzuzeigen, sie für die Sache zu sensibilisieren. Alle kennen die schaurigen Videos von Massentierhaltung, Tierleid in höchstem Maß. Viele betonen, qualitatives Fleisch zu wollen, rennen aber schließlich wieder für Hackfleisch für ein paar Cent im Angebot zum Discounter. Natürlich muss das jeder für sich selbst entscheiden, aber Respekt vor Tieren haben, heißt nicht nur den eigenen Familienhund zu lieben. Ich verkaufe hier Emotionen.“ Und wenn es an diesem Hof eines gibt, dann sind es Emotionen.
Angefangen bei dem liebevollen Umgang der Mitarbeiter mit den Tieren, über den Bauern, der jedes Tier mit Namen anspricht, bis hin zum Kälbchen, das sich an die anderen Tiere kuschelt oder vom Hofhund ein Küsschen bekommt. Bilder, die kein bisschen an Videos von Massentierhaltung erinnern. „Ein solches Mehr an Tierwohl kostet Geld. Natürlich sind unsere Produkte teurer als im Lebensmittelhandel, dennoch können wir sie zu einem für alle fairen Preis verkaufen, da wir bewusst beim Service sparen. Wir haben kein Ladenlokal und keine Lagerhaltung. Fleisch sollte nichts Alltägliches sein, nicht auf Masse gegessen werden, da geht es doch schon los mit der Achtung vor dem Tier“, betont der Landwirt.
Das Geschäftskonzept
Ja, auch ein Konzept für die Vermarktung von Fleisch gehört dazu. Nun könnte man hinterfragen, wie die Schlachtung von Tieren denn überhaupt mit Respekt vor dem Tier zusammenhängen kann. Hier bewegen sich viele Rädchen ineinander. Dass es bei hoher Nachfrage eine Fleischindustrie gibt, die in stetiger Konkurrenz zueinandersteht, wird wohl solange wie der Mensch Fleisch isst, auch nicht wegzudenken sein. Den Unterschied machen die Menschen, die tatsächlich hinterfragen, in welcher Form die Fleischproduktion mit ihrem Gewissen vereinbar ist. Kaufe ich billiges Fleisch, für das massenhaft Tiere ein kurzes, qualvolles Leben hinter sich haben, viele hunderte Kilometer dicht gedrängt, bei starker Hitze zum Schlachter gebracht wurden, um dann wie jeden Tag als Schnitzel oder Frikadelle in der Pfanne zu landen? Oder kaufe ich weniger Fleisch, esse dies bewusst ein bis zweimal in der Woche, bezahle dafür mehr Geld, weiß aber, dass die Tiere für mindestens zwei Jahre ein artgerechtes Leben geführt haben, in den Kreisen gewohnter Artgenossen grasen durften und mit höchstem Respekt behandelt wurden. Genau dieses Bewusstsein möchte Burkhard Sagel schaffen. Doch wie schon erwähnt ist eine solche Tierhaltung nicht einfach zu realisieren, wenn man damit sein tägliches Brot verdienen muss und außerdem Verantwortung für Mitarbeiter trägt. Am Ende des Tages muss sich das Konzept nun einmal selbst tragen. Hier fällt ein wichtiges Stichwort: Netzwerk.
Bauer Sagel hat sich im Laufe der Jahre ein Netzwerk mit anderen Bauern aufgebaut, das auf gegenseitigem Vertrauen fußt und seine Idee geschäftsfähig macht. „In meinem Netzwerk kooperiere ich mit ausgewählten Landwirten, die ebenso eine gewissenhafte Tierhaltung umsetzen und vertretbare Maßstäbe setzen. Das letzte Wort habe immer ich. Ich entscheide, wer mitmacht und wer nicht. Ich habe auch schon andere Landwirte abgelehnt, bei denen mir die Haltungsbedingungen absolut nicht zugesagt haben. Diejenigen, die im Netzwerk vertreten sind, genießen mein Vertrauen. Alle 14 Tage findet der Verkauf von Fleisch auf meinem Hof an einer Theke statt. Normalerweise wird nur einmal im Monat verkauft, aber um das Ganze zu entzerren und lange Schlangen zu vermeiden, mussten wir die Zeitspanne verkürzen. Kunden können dann entweder gemischte Kilo-Pakete telefonisch vorbestellen oder vor Ort direkt kaufen, alternativ können aber auch Einzelstücke ausgewählt werden“, erklärt der Landwirt. Spezielle Grillseminare – natürlich nicht während der Pandemie – bieten den Kunden außerdem die Möglichkeit, den Umgangen und die Verarbeitung von Fleisch besser zu verstehen. Einen Überblick zu all dem finden Sie hier.
Auf Kuschelkurs
Doch nicht nur Rinder leben auf dem Bauernhof Sagel, auch Ziegen, Esel, Pferde und der treue Hofhund haben hier ein Zuhause. „Uns bereitet die Kombination aus tierfreundlicher Landwirtschaft und sozialem Engagement eine tiefe Zufriedenheit und Freude. Der Begriff „soziale Landwirtschaft“ nimmt immer mehr und mehr Form an“, erklärt Burkhard Sagel. „Seit 2019 bieten wir außerdem Kuh-Kuscheln und tiergestützte Pädagogik mit unseren Tieren an. Alles unter dem Grundsatz, jedes Tier mit höchstem Respekt zu behandeln. Es kam auch schon einmal vor, dass eine erwachsene Person ein Rind wirklich schlecht behandelt hat, so jemand fliegt dann selbstverständlich hochkant vom Hof. Die Achtung vor dem Tier ist das A und O.“ Dass tiergestützte Therapien bei Menschen mit verschiedensten Leiden einen nachweislich hohen Effekt haben, ist schon lange bekannt. Entsprechend ist auch hier das Ziel, diesen Zweig auf dem Bauernhof Sagel kontrolliert auszubauen.
Der Landwirt vertritt eine klare Ansicht, wie eine tierfreundliche Haltung aussehen sollte. Genau dieses Konzept versucht er auf seinem Hof an Kunden, Verbraucher und vielleicht sogar Unwissende zu vermitteln. Wir alle können unser Konsumverhalten überdenken oder vielleicht ein wenig von dem in unseren Alltag mitnehmen, was wir an diesem Bauernhof vorfinden durften.
Glückliche Tiere sind viel mehr wert, als an einer billigen Frikadelle zu sparen.