Foto: Privat

Schermbecks Bodendenkmal

Die archäologischen Funde im Baugebiet Mühlenbach werden als Bodendenkmäler eingetragen – Die Bebauung ist aber sichergestellt

Schermbeck - „Das ist ein Stück Keramik“, sagt Grabungshelferin Melanie Rölke und hält ein mit Erde verklumptes Stück hoch. Sie gräbt in einem Erdloch im Baugebiet Mühlenbach nach genau solchen Fundstücken. Und das, was auf den ersten Blick aussieht wie ein Erdklumpen, hat eine historische Bedeutung, denn vermutlich handelt es sich dabei um Schermbecker Keramik aus dem 9. oder 10. Jahrhundert – gefunden an einer Stelle, an der ziemlich sicher der Grundriss eines Hauses entdeckt wurde. Schermbeck war also bereits im Mittelalter besiedelt.
 

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Kurz nach dem ersten Spatenstich im Baugebiet wurde bekannt, dass sich hier archäologische Funde verbergen.
Foto: Gundis Jansen-Garz

Beim Tag der offenen Grabung werden den interessierten Schermbeckern, die trotz des regnerischen Wetters zu Grabungsstätte gefunden haben, verschiedene Funde präsentiert. Dazu gehören auch Keramikstücke aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Diese Funde sind sogar noch älter als die Turmhügelburg, die sogenannte „Motte“ aus dem 11. Jahrhundert, die zuvor entdeckt wurde. Um diese historischen Funde zu schützen, entschied der Planungs- und Umweltausschuss im Mai, dass sie als Bodendenkmal eingetragen werden und damit unter Denkmalschutz stehen. Das Rheinische Amt für Boden- und Denkmalpflege hatte diesen Vorschlag gemacht und der Ausschuss kam ihm nach. „Die Bebauung ist aber gesichert“, stellt die Erschließungsgesellschaft Schermbecker Boden klar.
„Wir sind davon absolut überrascht worden, dass dort etwas gefunden wurde“, sagt Altbürgermeister Ernst-Christoph Grüter. Der Altbürgermeister kam gerade vom ersten Spatenstich in dem Baugebiet als er darüber informiert wurde, dass sich im Mühlenbach vermutlich archäologische Funde verstecken. Ein zuvor nicht bekanntes Luftbild zeigte einen Ring. Dunkle Stellen und Muster, die aus der Luft zu erkennen sind, weisen darauf hin, dass an dieser Stelle der Bewuchs anders ist und etwas künstlich erschaffen wurde. Der Ring deutete auf den Graben hin, der rund um die Turmhügelburg verlief. „So etwas ist mit bloßem Auge nicht zu sehen, aber zeichnet sich an der Oberfläche ab und ist anhand von Luftbildern zu erkennen“, erklärt Archäologe und Leiter der Abteilung Denkmalschutz beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) Martin Vollmer-König. In der Erschließungsphase fanden sich dann tatsächlich die Überreste einer Turmhügelburg, einer sogenannten „Motte“, die mit ziemlicher Sicherheit aus dem 11. Jahrhundert stammt. Darunter entdeckte man aber noch mehr.
 

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Grabungshelferin Melanie Rölke hat an der Stelle eines Hausgrundrisses ein Stück Keramik entdeckt.
Foto: Jana Golus

In dem Baugebiet wurden Pfahllöcher und sehr gut erhaltene Überreste eines  Brunnens mit einem hölzernen Anbau freigelegt und vier Hausgrundrisse fand man außerhalb der Motte. „Über die Datierung der Funde können wir bis jetzt nur Vermutungen anstellen, aber sie sind ziemlich sicher im Mittelalter einzuordnen“, sagt Martin Vollmer-König.   „Wir gehen davon aus, dass die Flachsiedlung aus dem 9. oder 10. Jahrhundert ist und die Motte aus dem 11. Jahrhundert“, sagt Marion Brüggler vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege. Vermutungen, dass Funde in dem Baugebiet auch aus der Eisenzeit seien, lassen sich nicht bestätigen. „Eine endgültige Einordnung erfolgt erst nach der gesamten Sichtung und Dokumentation aller Funde.“ Die Vermutung, die Funde seien aus der Eisenzeit, kam offenbar auf, da einige der Keramikfundstücke uneindeutig waren. „Wir gehen aber jetzt davon aus, dass es sich um mittelalterliche Funde handelt“, sagt Marion Brüggler.
 

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Im Baugebiet wurden unter anderem diese Keramikstücke aus dem 9. und 10. Jahrhundert gefunden.
Foto: Jana Golus

Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Funde sei ausgesprochen hoch. Denn das Feuchtbodenverhältnis aufgrund des hoch anstehenden Grundwassers konserviert die Holzfunde und so konnten noch erhaltene Bohlen gefunden werden. Dieses hoch stehende Grundwasser erschwert zugleich aber auch die Untersuchungen. Die Motte hingegen sei nicht mehr sehr gut erhalten, sagt Martin Vollmer-König. Die Funde sollen nun dokumentiert und als Bodendenkmal eingetragen werden. Dazu werden die meisten der Holzfunde lediglich untersucht, aber an Ort und Stelle belassen und nach Abschluss der Untersuchungen wieder zugeschüttet. Teile des Bodendenkmals könnten allerdings auch in Schermbeck ausgestellt werden. „Es sind zum Beispiel Bohlen geborgen worden, die im Wasser lagen, die könnte man konservieren, damit der Fäulnisprozess nicht einsetzt“, sagt Martin Vollmer-König. Der Konservierungsprozess selbst ist kompliziert und zeitintensiv, weshalb möglicherweise Zeit vergeht, bis tatsächlich etwas ausgestellt werden kann. Fest steht jedoch, dass die historischen Funde erhalten bleiben, ob konserviert oder unter der Erde – und das trotz Baugebiet.
 

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Marion Brüggler vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege erklärt den Interessierten die Funde.
Foto: Jana Golus

Für das Baugebiet bedeuten die Funde zwar eine Zeitverzögerung, aber die Bebauung ist gesichert und kann kurzfristig losgehen“, sagt Rainer Schwarz, Geschäftsführer der Schermbecker Boden. Doch nicht nur Zeit haben die Funde gekostet, sondern auch Geld. „Durch die umfangreichen Untersuchungen sind uns erhebliche Kosten entstanden“, sagt Friedrich-Wilhelm Häfemeier, weiterer Geschäftsführer der Schermbecker Boden. Diese Kosten sollen aber nicht an die Käufer der Grundstücke weitergereicht werden.  Es bleibt bei den durchschnittlich 220 Euro pro Quadratmeter Bauland im Baugebiet Mühlenbach. Gebaut wird dann einfach über den zugeschütteten und so konservierten Funden. Bauherren müssen sich laut der Schermbecker Boden GmbH & Co. KG nicht auf Beeinträchtigungen durch das Bodendenkmal einstellen, außer sie wollen einen Keller bauen. In dem Fall muss ein Archäologe beauftragt werden, um mögliche weitere Funde sicherzustellen. Die Bebauung kann Ende Juni oder Anfang Juli beginnen. Die Bauherren haben dann jedenfalls eine Besonderheit. „Wer baut sein Haus schon auf ein Denkmal“, sagt Rainer Schwarz. go

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