Foto: Jessica Hellmann

Von Flensburg nach Füssen

Die Kirchhellener Egon und Gisela Jendral wandern durch ganz Deutschland – Zahlreiche spannende Begebenheiten und Begegnungen pflastern ihren Weg

Kirchhellen - Für Egon und Gisela Jendral ist der Weg das Ziel. Das Kirchhellener Ehepaar hat sich nämlich vor drei Jahren entschieden, Deutschland zu Fuß zu erkunden. Auf den knapp 1.200 Kilometern, die sie bisher erlaufen haben, erlebten sie bereits zahlreiche spannende Geschichten und kreuzten den Weg vieler interessanter Menschen. Ende August treten sie die letzte Etappe ihrer Deutschland-Wanderung an. Dann wandern sie von Krumbach nach Füssen.
 

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Besonders in Erinnerung geblieben ist den beiden Wanderern der Blick ins Brenztal bei Giengen-Hürben.
Foto: privat

„Man kann sich gar nicht alles merken“, sagt Egon Jendral und blättert vorsichtig eine Seite in dem vor ihm liegenden Ordner um. Fotos, selbst gezeichnete Landkarten und mehrere Seiten lange Texte füllen die Erinnerungshilfe mit Leben. „Damit nichts in Vergessenheit gerät, habe ich hier alles noch einmal festgehalten.“ Das ist auch dringend nötig, denn bei den zahlreichen Begebenheiten, die das Ehepaar auf seiner Deutschland-Tour von Flensburg nach Füssen erlebte, ist es nahezu unmöglich, sich ad hoc an die Besonderheiten der einzelnen Etappen zu erinnern. Dabei wäre es wirklich schade, wenn all das in Vergessenheit geraten würde. „Wir sind zuvor schon überall in Deutschland gewandert. Da haben wir uns eines Tages gefragt: Warum wandern wir nicht mal komplett durch Deutschland?“, erzählt Gisela Jendral. Sieben Etappen haben die beiden bereits hinter sich gebracht. Im Herbst steht die letzte an.
Bevor es im Mai 2010 losgehen konnte, musste alles akribisch vorbereitet werden. „Wir wollten möglichst viel sehen“, so Egon Jendral. Dabei ließ sich aber nicht jede Station im Voraus planen. „Spontan fällt mir unser Besuch in Dinkelsbühl ein. In dieser schönen Stadt herrschte eine richtig mittelalterliche Atmosphäre. Die alte Stadtmauer mit ihren Toren und Wachtürmen ist bis heute erhalten geblieben“, erzählt Gisela Jendral. „Ausgerechnet in der Zeit, als wir dort waren, wurde ein großes Fest anlässlich der 50 Jahre bestehenden Partnerschaft mit der französischen Stadt Guérande veranstaltet.“ Ähnliches passierte den Jendrals in Rothenburg, wo sie zufällig in ein Ritterfest gerieten.
 

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In Dinkelsbühl konnten die Kirchhellener die alte Stadtmauer bestaunen.
Foto: privat

Museen und Legenden

Auf ihrem Weg trafen sie auf zahlreiche Menschen, die sie auf spannende Sehenswürdigkeiten in der Umgebung hinwiesen. Dafür nahmen sie auch gerne den einen oder anderen Umweg in Kauf. So wurden sie beispielsweise auf ihrer letzten Etappe von einem entgegenkommenden Radfahrer auf das „Bodenlose Loch“ bei Diebach auf der Frankenhöhe in Bayern aufmerksam gemacht. „Die Gipskarstquelle im Untergrund soll angeblich verhindern, dass der See zufriert“, erklärt Egon. „Legenden besagen, dass dort früher Meerjungfrauen aus dem Wasser gestiegen sind, um sich mit den jungen Männern im Dorf zum Tanz zu treffen.“ Eines Tages sei eine Nixe nicht wie vom Wasserkönig vorgegeben um Mitternacht in den See zurückgekehrt. Daraufhin soll sich das Wasser blutrot gefärbt haben. „Wir waren immer wieder überrascht, wie freundlich und hilfsbereit die Leute waren“, berichtet der 75-Jährige. So auch in Unterlüß in Niedersachsen: Dort wollte das Ehepaar die Mineralien-Ausstellung des Albert-König-Museums besuchen, stand aber vor verschlossenen Türen. „Drinnen wurde gerade eine Gemäldeausstellung aufgestellt. Wir klopften an die Tür und erklärten der Mitarbeiterin unser Vorhaben.“ Ohne zu zögern ließ sie die beiden Wanderer eintreten. „Wir konnten nicht nur ganz in Ruhe durch die Ausstellung gehen, sondern durften auch als erste Besucher überhaupt einen Blick auf die Gemälde werfen.“ Schon bei der Routenplanung entdeckten die Jendrals einige weitgehend unbekannte Museen, die aber jede Menge zu bieten haben. So konnten die Kirchhellener unter anderem im Schulmuseum in Ichenhausen die Schulbank drücken, sich über den bekanntesten Narren Deutschlands im Till-Eulenspiegel-Museum in Mölln informieren und im Wassermuseum in Zell am Main mehr über die Bedeutung des nassen Elements erfahren. Das Weihnachtspostamt in Bayern, das man für gewöhnlich nur in der Adventszeit besichtigen kann, öffnete für die Jendrals sogar ausnahmsweise schon im September. Dort trudeln jährlich tausende von Briefen für das Christkind ein - die übrigens alle beantwortet werden. Als passionierte Fingerhutsammlerin zeigte sich Gisela Jendral auch vom Fingerhutmuseum in Creglingen begeistert.
 

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Beim Wandern können die Jendrals die Natur genießen. Hier sind sie gerade auf dem Weg von Feuchtwangen nach Dinkelsbühl.
Foto: privat

Herrliche Landschaften

Bleibenden Eindruck haben aber vor allem die herrlichen Landschaften hinterlassen. Die Aussicht auf Wiesen, Felder, Berge, Flüsse und Seen raubte ihnen mehrfach den Atem. Seltene Naturschauspiele und Begegnungen mit Tieren gehörten zu den Höhepunkten ihrer Wanderung. „Wie damals, als wir auf der Straußenfarm ein Foto machen wollten und Egon von einem Strauß gebissen wurde“, wirft Gisela Jendral ein und lacht herzlich. „Wie könnte ich das vergessen?“, fügt ihr Mann hinzu. Ihm hat es vor allem die Moorlandschaft in Solling angetan. „Das hatte etwas Geheimnisvolles.“ Eines Tages möchte er noch einmal zum Kloster Kreuzberg zurückkehren – wegen starkem Regen war der Ausblick auf die Wasserkuppe beim ersten Besuch getrübt.

Zu einigen Bekanntschaften, die während der Reise gemacht wurden, hat das Ehepaar übrigens noch Kontakt. „Viele wollten wissen, wie es mit unseren Wanderungen weitergeht. Deshalb stehen wir in regem Briefkontakt mit einigen Leuten“, sagt sie. „Daraus sind sogar Freundschaften entstanden.“

Bisher konnten die Jendrals von Flensburg über Orte wie Plön, Unterlüß, Hameln, Eschwege, Bad Brückenau und Dombühl nach Krumbach wandern. Unterwegs sind sie jeweils zehn bis zwölf Tage im Mai oder im September. „Dann herrscht in der Regel das beste Wanderwetter“, so das Ehepaar. Doch auch von Kälte, Wind und Regen ließen sich die Jendrals bisher nicht ins Bockshorn jagen. Die letzte Etappe führt sie schließlich nach Füssen. „Bisher haben die Wanderungen Spaß gemacht, sie alle waren spannend und lehrreich“, fasst die 71-Jährige zusammen. Anstrengend sei es eigentlich nicht gewesen – man war schließlich gut vorbereitet. Auch in der Heimat verbringen die beiden viel Zeit an der frischen Luft. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Wanderschuhe nicht steif werden.“ Mit ihrem Marsch durch die Bundesrepublik möchten sie dazu animieren, es ihnen gleich zu tun. Deutschland habe schließlich allerhand Sehenswertes zu bieten. Welche Etappe ihnen am besten gefallen hat, können die Jendrals jedoch nicht entscheiden. „Wer die Natur liebt, wird sie überall schön finden.“ jh

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