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Schermbeck und der Wolf

Nordrhein-Westfalen weist erstes Wolfgebiet am Niederrhein aus – so richtig willkommen scheint die Wölfin jedoch nicht zu sein

Das Landesministerium für Umwelt möchte in den Informationsveranstaltungen offene Fragen beantworten. Foto: Gaby Eggert

Schermbeck - Mehrfache Sichtungen, Risse von Schafen und Losungen (Kot), vor allem aber genetische Nachweise legen nahe, dass ein Wolf im Bereich der Gemeinde Schermbeck im Kreis Wesel standorttreu geworden ist. Genauer gesagt handelt es sich dabei um eine junge Wölfin mit der Kennung GW954f, die ursprünglich aus einer Wolfsfamilie nahe dem niedersächsischen Schneverdingen stammt.

Das alles und verunsicherte sowie ängstliche Mitbürger hat das Landesministerium für Umwelt nun zum Anlass genommen, ein großzügig ausgeweitetes Gebiet rund um Schermbeck als so genanntes Wolfgebiet auszuschreiben. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser: „Ab nun können Maßnahmen zum Herdenschutz in Teilen der Kreise Kleve, Wesel, Borken und Recklinghausen sowie der Städte Bottrop (ein Großteil Kirchhellens) und Oberhausen gefördert werden.“

Die Tatsache, dass es nun sicher einen Wolf in Scherm­beck und Umgebung gibt, macht den Menschen offensichtlich Angst – dies wurde auf einer Bürgerversammlung in Gahlen deutlich, die Anfang Oktober im Saal des Café Holtkamp stattfand. Dr. Thomas Delschen (Präsident des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz – LANUV), Dr. Georg Verbücheln und Dr. Matthias Kaiser sowie Christian Strang vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz (MULNV) stellten sich den Fragen der Menge, nachdem sie zunächst Informationen über das ausgerufene erste Wolfsgebiet in NRW informierten. Der Saal war mehr als voll, weitere Interessenten mussten abgewiesen werden. Der Einzugsbereich der Gäste glich dem des Wolfes: Schermbeck, Gahlen, Raesfeld, Kirchhellen, Kleve, Dinslaken.

Die Internetseite www.wolf.nrw.de informiert ab sofort zeitnah und umfassend über die Entwicklung. Hier finden Sie die aktuellen Meldungen des Landesumweltamtes und die elementaren Grundlagen zum Thema. Es gibt Infos über Biologie und Verhalten des Wolfes und die bestätigte Wolfsnachweise werden in einer Geodaten-basierten Karte dokumentiert. Nutztier-Risse, die dem LANUV gemeldet wurden, werden als nachweislich belegte Fälle oder als Falschmeldungen aufgelistet.

Sichtungen eines Wolfes können direkt auf diesem Portal gemeldet werden. Sie finden hier auch die Kontaktdaten der zuständigen regionalen Wolfsberater. Tierhalter erfahren, welche Hilfen sie in Anspruch nehmen können, wenn sie ihre Herden durch den Wolf konkret bedroht sehen oder Schäden melden wollen, die vermutlich durch einen Wolf verursacht wurden.

Das Land zahlt für die durch den Wolf direkt getöteten Nutz- und Haustiere einschließlich der Jagd-, Herdenschutz- und Hütehunde eine Entschädigung. Gezahlt wird auch für die infolge eines Wolfsübergriffs später verendeten oder aus Tierschutzgründen getöteten Tiere sowie für die Verluste durch Verwerfen. Darüber hinaus werden auch sonstige Kosten für Tierarzt, Tierkörperbeseitigung, Sachschäden an Zäunen sowie Untersuchungskosten entschädigt. Die Schäden müssen nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Wolf verursacht worden sein.

Ab sofort gilt aber auch, dass innerhalb eines Jahres die vorgeschriebenen Sicherungen installiert sein müssen, um im Falle eines Falles die Entschädigung zu erhalten.

Das Land fördert Präventionsmaßnahmen zum Schutz von Schafen, Ziegen und Gehegewild. Bei Bedarf kann die Förderung von Präventionsmaßnahmen für weitere Tierarten zugelassen werden. Arbeitskosten und Folgekosten sind nicht förderfähig. 80 Prozent der Kosten werden gefördert.

Viele interessierte Bürger kamen zur ersten Informationsveranstaltung. Foto : Gaby Eggert

Wie kommt die Wölfin zu uns?

Seit 140 Jahren hat es in NRW keinen Wolf mehr gegeben. Der Osten Deutschlands dagegen grenzt seit jeher an eine Region, in der der Wolf nie ausstarb. In der damaligen DDR wurden jedoch alle von Osten her einwandernden Wölfe geschossen, nach dem Zusammenbruch der DDR im Jahre 1989 änderte sich das. Entsprechend der europäischen FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) ist der Wolf heute nach Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt (§ 44 BNatSchG), damit genießt der Wolf den höchsten Schutz. 1995 wurde der erste Wolf, im Jahre 2000 das erste Rudel in Deutschland nachgewiesen. Seitdem wurde kein einziger Angriff auf Menschen belegt.

Der Wolf – eine Gefahr für uns Menschen?

2009 erfolgte der erste Nachweis eines einzelnen, durchziehenden Wolfs in Nordrhein-Westfalen, auch hier gab es seit dem keine Gefahr für einen Menschen. Aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte kann zudem festgestellt werden, dass Angriffe von gesunden freilebenden Wölfen auf Menschen in Deutschland nicht dokumentiert sind. Die Sichtung eines Wolfes ist daher auch nicht gleich ein Grund zur Beunruhigung.

Genetische Nachweise gut möglich

Haare, Kot, Blut oder Speichelreste, die ein Wolf hinterlässt, eignen sich für die genetische Analyse. Bei frischen und umfangreichen Proben lassen sich neben der sicheren Artbestimmung des Wolfes auch das Geschlecht und verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen bereits registrierten Tieren feststellen. Alle in NRW gefundenen Spuren werden im Senckenberg Forschungsinstitut Gelnhausen analysiert und mit anderen schon vorher gefundenen genetischen Wolfsspuren aus Deutschland und Europa verglichen.

Ist der Wolf böse?

Es gibt auch Wolfsliebhaber. Der Naturschutzbund Deutschland NABU hat schon vor einigen Jahren begonnen, Bildungsmaterialien zu erstellen, die das Zusammenleben von Mensch und Wolf verbessern sollen. Wolfspatenschaften schützen die Tiere und nehmen den Menschen die Ängste. Rund 300 NABU-Wolfsbotschafter setzten sich im ganzen Bundesgebiet für den Wolf ein und unterstützen die Öffentlichkeitsarbeit des NABU. Wolfsbotschafter halten Vorträge in Schulen, Kindergärten und vor interessierten Erwachsenen. Sie organisieren Infostände und Aktionstage rund um den Wolf und können Informationen zum Wolf geben. Mehr Akzeptanz für den Wolf: In dem Projekt „Willkommen Wolf“ möchte der NABU Vorurteile, Sorgen und Ängste in der Bevölkerung abbauen, um dem Wildtier in Deutschland wieder einen dauerhaften Lebensraum schaffen. www.nabu.de

Auch wenn letztendlich nicht alle Fragen der Bürger beantwortet werden konnte, so ist eine Aussprache immer gut und wichtig. Der LANUV weist explizit darauf hin, dass sich betroffene Anwohner und Nutztierhalten, Kindergärten und Schulklassen jederzeit melden können. Gerne werden Infoabende und Gesprächsrunden miteinander vereinbart.

LANUV-Präsident Thomas Delschen lobte zum Schluss der Versammlung die Beteiligung sowie das Benehmen der Besucher. „Ich fand, das war hier ein gutes Stück demokratischen Verhaltens.“ Der stellvertretende Pressesprecher des Umweltministeriums, Peter Schütz dankte ebenfalls den Besuchern für die entspannte Atmosphäre. Er nehme drei Erkenntnisse mit ins Ministerium: Die Infopolitik muss sich verbessern. Die Sorgen und Nöte der Eltern muss stärker bedacht und die Förderrichtlinien überarbeitet werden. gj


Weitere Informationsveranstaltung

Zur Information der Bürgerinnen und Bürger über das erste Wolfsgebiet in Nordrhein-Westfalen veranstaltet das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) eine weitere Bürgerversammlung. Damit folgt das LANUV der Zusage und dem Wunsch der Menschen vor Ort, eine weitere Informationsveranstaltung folgen zu lassen.
Die Bürgerversammlung zum Thema „Wolfsgebiet Schermbeck“ findet statt am Mittwoch, 14. November in der Aula der Gesamtschule Hünxe, In den Elsen 34, 46569 Hünxe. Einlass ist ab 18.30 Uhr, Beginn 19 Uhr. Parkmöglichkeiten gibt es am Sportplatz des STV Hünxe, Kreuzung In den Elsen – Klever Straße.

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