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Es ist wirklich eine besondere Vater-Sohn-Geschichte, die Wolfgang Linder zu erzählen weiß. Eine Geschichte, die ganze sieben Fotoalben umfasst, zahlreiche geschriebene Seiten und unzählige Erinnerungen. 22 Jahre sind Wolfgang und Sönke Lindner durch Deutschland gewandert, von Flensburg bis Koblenz, immer in Etappen.
Getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel, sind Vater und Sohn dem Fernwanderweg E1 gefolgt und haben dabei nicht nur viele neue Menschen und Landschaften kennen gelernt, sondern auch sich selbst. Gewandert wurde hauptsächlich im Frühjahr oder Herbst, doch auch wenn das Wetter mal Kapriolen schlug, aufgeben kam für Vater und Sohn nicht in Frage.
Bestens vorbereitet ging es jedes Mal aufs Neue auf den Weg und zwar immer genau dort, wo die Wanderroute zuvor geendet hatte. Ihr Auto parkten die Wanderer stets am vereinbarten Ziel, dann ging es mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Ausgangspunkt. 22 Jahre lang, bis sie am 7. Juli 2011 Koblenz erreichten. Einige Eindrücke von seiner Reise hat Wolfgang Lindner für LebensArt zusammengefasst:
„In den Jahren um 1980 durchwanderte der damals amtierende Bundespräsident Karl Carstens (CDU) Teilstrecken innerhalb Deutschlands von Nord nach Süd. Ein großer Tross schloss sich an und Kommunalpolitiker jedweder Couleur waren bestrebt ,den Bundespräsidenten durch ihre Gemeinden wandernd zu begleiten. Dieses Ereignis ließ bei mir den Gedanken reifen, Deutschland von Nord nach Süd gleichfalls zu durchwandern – dann aber durchgängig.
Der europäische Fernwanderweg E1 führt von Mittelschweden bis zum Umbrischen Apenin (Mittelitalien). Von Flensburg bis Konstanz führt eine Teilstrecke durch Deutschland. Am 8. Oktober 1989 war es soweit. Mit meinem Sohn Sönke, der damals 14 Jahre jung war, begann das Abenteuer „Deutschlandwanderung“. Wir fuhren mit dem PKW bis zum ersten geplanten Wanderziel: Eckernförde, übernachteten und am nächsten Morgen ging es mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zur deutsch-dänischen Grenze. Am Schlagbaum ging es los und wir liefen in vier Tagen die 94 km bis zu unserem geparkten Auto zurück. Dieses System behielten wir bis Konstanz bei.

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Es waren immer Rucksacktouren und da gilt es auf das Gewicht zu achten. Trotz aller Vorsicht kommen immer schnell acht bis neun Kilo zusammen. Schon die feste und flüssige Nahrung machen allein zwei Kilo aus. Trinken ist ganz wichtig! Da die Wanderwege möglichst Ortschaften meiden, muss man sich zu Beginn des Tages eindecken. So zogen wir dann los und unterschätzten anfangs gewaltig das Gewicht der mitzuführenden Rucksäcke. Aber da wir bis zum Deister (Gebirgskamm bei Hannover) nur flaches Gelände hatten, konnten wir uns gut einwandern und anfängliches Wanderfehlverhalten wurde nicht schwer bestraft.
Außer den Alpen haben wir alle deutschen Landschaftsformen durchwandert. Großstädte wie Hamburg und Frankfurt, Mittel- und Kleinstädte, Dörfer und Weiler mussten wir queren. Insgesamt betrug unsere Wanderstrecke 1.900 km. Der Streckenverlauf sei grob skizziert. Ostküste von Schleswig-Holstein, Holsteinische Schweiz, Hamburg, Lüneburger Heide, Weserbergland, Teutoburger Wald mit Eggegebirge, Sauer-/Siegerland, Westerwald, Taunus, Odenwald, Kraichgau, Schwarzwald, Baar, Hegauberge, Bodanrück.
In den 22 Jahren haben wir jede Wetterlage erlebt. Sonne, Regen, Frost, Nebelnässe, Kälte, Hitze, Gewitter, Wintereinbruch mit Schnee, Sturm. Jeder von uns hat zwei Paar Wanderschuhe und ein Paar Joggingschuhe verschlissen. Durch falsches Schuhwerk auf dem Teilstück Siegen – Herdorf lief ich mir beide Fersen blutig und wir mussten die Wanderung abbrechen. Das war aber auch die einzige Panne in all den Jahren. Natürlich brannten so manches Mal die Füße, die Schultern vom Tragen der Rucksäcke ächzten, in den Beinmuskeln hämmerte es und die Ballen unter den Füßen neigten zur Blasenbildung.

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Dann galt es durchzuhalten, im Hotelzimmer mit einer warmen Dusche die angespannten Muskeln wieder geschmeidig zu machen, später gut zu essen und zu trinken, um nach einem erholsamen Schlaf am nächsten Morgen frohgelaunt weiterzuwandern. Tagesstrecken ab 20 Kilometer waren in den Mittelgebirgen dann besonders anstrengend, wenn zwischen 400 und 800 Höhenmeter zu bewältigen waren. Dann galt bergauf der „Kilimandscharo-Schritt“ und abwärts hieß die Devise: Konzentriert, aber locker – „Vergiss die Knie – sonst schaffst Du’s nie! Da wir uns immer Teilziele gesetzt hatten, blieb die Motivation erhalten. Zuerst Hamburg, dann Winterberg, später Frankfurt, den Schwarzwald; ja und dann war der Bodensee nicht mehr weit. Aufgeben oder gar Abbrechen war bei uns nie ein Thema. Und als wir am letzten Tag unserer Tour über den Bodanrück, die mit 30 Kilometer Länge und bei Hitze und Schwüle noch mal alles forderte, Konstanz erreichten, überraschten uns Ehefrau und Lebensgefährtin in Kreuzlingen an der Schweizer Grenze. Mit einem festlichen Essen ließen wir den Tag ausklingen, stießen an auf unsere Leistung und dachten nochmals zurück an den 8. Oktober 1989, an dem das große Abenteuer in Flensburg begann.“
Momentan erwandert Wolfgang Lindner übrigens den Rheinsteig gemeinsam mit seiner Frau. Wandern, das ist und bleibt seine Passion. All seine Erlebnisse hat er in seinem Buch niedergeschrieben. Wer Tipps in Sachen Wandern und Wanderrouten benötigt, der ist bei Wolfgang Lindner an der richtigen Adresse. Zu erreichen ist der Kirchhellener unter der Telefonnumer (02045) 81425. Gerne erzählt er über seine lange Wanderung und gibt auch seine Erfahrungen an interessierte Wanderfreunde weiter. gk
Mehr Infos zum Fernwanderweg E1.