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Pfarrer Bornebusch spricht mit Flüchtlingen in Schermbeck

Ali Rasouli ist einer der Flüchtlinge, die in Schermbeck leben – mittlerweile arbeitet er als Friseur

Schermbeck - Wer sind die Flüchtlinge unter uns? Pfarrer Wolfgang Bornebusch geht dieser Frage nach und sucht mit einigen der Menschen, die es nach Schermbeck verschlagen hat, das Gespräch. Sie erzählen von Heimat, Flucht und Zukunftsideen. „Die Veröffentlichung soll dazu beitragen, ein wenig mehr darüber zu erfahren, was für Menschen mit was für Geschichten und Problemen zu uns kommen und nun mit uns leben“, erklärt Wolfgang Bornebusch.

„Ali Rasouli, mein Gesprächspartner, wird so manchem Schermbecker bekannt sein, denn er ist Friseur und arbeitet im „Schermbecker Haarstudio“ von Muwafaq und Jutta Talib Hashim im Kerkerfeld“, erklärt Wolfgang Bornebusch. Ali Rasouli ist 29 Jahre alt, kommt aus Afghanistan, ist schiitischer Muslim und spricht Dari, die in Afghanistan gesprochene Variante des Persischen. Zu seiner Familie gehören neben seinen Eltern zwei Brüder und vier Schwestern. Ali Rasouli wuchs in Herat auf, einer alten, bedeutenden Stadt im Westen Afghanistans unweit der Grenze zum Iran.
Schon als Kind begann er im Friseursalon seines Vaters zu arbeiten. Mit zwölf Jahren war er ein voll ausgebildeter Friseur und beherrschte sein Fach. Er lernte dabei auch, Perücken und Toupées aus Eigenhaar zu fertigen. Morgens ging der junge Friseur zur Schule– bis zum Abschluss nach der 10. Klasse und nachmittags arbeitete er an der Seite seines Vaters. Als Jahre später amerikanische und italienische Truppen bei Herat stationiert wurden, fuhr er einmal in der Woche hinaus zu deren Militärcamp und scherte den Soldaten das Haupt. Auf meine Frage, ob er da nicht Probleme mit den Taliban bekommen habe, bekomme ich zur Antwort: „Ja, so ein bisschen...“ Dieses „bisschen“, so wird nach mehrfachem Nachfragen deutlich, meint etwas, was alles andere als harmlos war. In den Augen der Taliban war er eindeutig ein Kollaborateur. Und so passierte es denn eines Tages – er war mit seinem Auto unterwegs vom Militärlager zur Stadt -, dass ihm die Taliban, bewaffnet mit Kalaschnikows, auflauerten und ihn und sein Auto beschossen. Das Auto war anschließend ein Wrack. Er selbst landete im Krankenhaus. Während er davon erzählt, krempelt er sein rechtes Hosenbein hoch und zeigt mir die Narbe, wo eine Kugel eindrang. Und es blieb nicht bei diesem Überfall.  Jutta Talib Hashim, die zu unserem Gespräch dazu kommt, meint: „Was wir in Action-Filmen sehen, das hat er live erlebt! Man kann sich das kaum vorstellen.“
Ali Rasouli schloss sich den Taliban nicht an. Im Jahr 2011 entschied er sich zu fliehen. Da war er 25 Jahre alt, bereits zwei Jahre verheiratet und seine Frau Leilah war schwanger. Gemeinsam verließen sie (mit einem Auto) Afghanistan über die nahe Grenze zum Iran und flogen dann von Teheran direkt nach Düsseldorf. Dass Deutschand das Ziel seiner Flucht sein sollte, stand für ihn von Anfang an außer Frage. In Deutschland würde er sicher sein, unbedroht, dort würde er eine Chance haben, Zukunft haben.
Möglich war die Realisierung der Flucht nur mit der massiven finanziellen Unterstützung der Familie: 30.000 Euro kostete ihn das Unternehmen, so sagt er.
Über ein Aufnahmelager in der Nähe von Bielefeld wurde er mit Frau und Kind recht bald Schermbeck zugewiesen, wo die drei zunächst im Flüchtlingsheim an der Alten Poststraße unterkamen. Inzwischen hat die Familie dank der Unterstützung des Ehepaares Talib Hashim, Quartier und Ruhe gefunden in einer Wohnung am Alten Friedhof. Der inzwischen vierjährige Abolfazl geht in den Kilian-Kindergarten. Eine Aufenthaltserlaubnis hat die Familie auch. Stolz zeigt mir Ali Rasouli seinen Ausweis.
So scheint für Ali Rasouli, seine Frau Leilah, ihren Sohn Abolfazl und Baby, das unterwegs ist, alles gut gelaufen zu sein, wären da nicht die aktuellen Anschläge von Paris. Bisher fühlte sich die Familie in Deutschland willkommen, sicher, gut aufgehoben, voller Hoffnung. Aber wird das so bleiben? Wird die Stimmung in Bezug auf die Flüchtlinge kippen? Er scheint da so seine Zweifel, Ängste und Befürchtungen zu haben. Es wird auch an uns liegen, ob sie sich bewahrheiten...“

Wolfgang Bornebusch, Pfarrer i. R.

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