Wichtig ist die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung, denn nur so kann frühzeitig mit einer Therapie begonnen werden. Vital hat sich mit Mustafa Tosun, Oberarzt der Abteilung Urologie und Kinderurologie am Marienhospital in Gelsenkirchen-Ückendorf, über diese Erkrankung unterhalten.
Herr Tosun, welche Altersklasse ist von der benignen Prostatahyperplasie betroffen?
Betroffen ist die Altersklasse der 50 bis 85-jährigen Männer. 50% der Männer ab 60 Jahren und 90 Prozent der Männer über 85 Jahre leiden an einer problematischen BPH. In Europa sind 24 Millionen Männer davon betroffen.
Wie kommt es dazu, dass sich die Prostata vergrößert?
Durch gutartige Zellvermehrungen, anders als beim Prostatakarzinom, kommt es zu dieser Vergrößerung. Dadurch wird die Harnröhre zusammengedrückt und der Harnfluss reduziert oder sogar ganz blockiert.
Spielt die Ernährung dabei eine Rolle?
Schon. Durch zu viel Industriefleisch, ungesunde Ernährung und Übergewicht kann die Möglichkeit einer BPH gefördert werden.
Welche Beschwerden deuten auf eine Prostatavergrößerung hin?
Da gibt es einige. Häufiges Wasserlassen, unregelmäßiges, brennendes schmerzhaftes Gefühl beim Wasserlassen, Empfinden dass die Blase nach dem Wasserlassen nicht vollständig entleert ist, oft schwacher Harnstrahl, Harndrang, Anstrengung beim Wasserlassen, nachts häufig zum Wasserlassen aufstehen und damit verbundene Übermüdungserscheinungen sind eindeutige Anzeichen.

Ab wann sollten Betroffene sich an einen Arzt wenden?
Wenn die genannten Symptome auftreten und die Lebensqualität beeinträchtigen, sollte man umgehend einen Urologen aufsuchen. Durch ausführliche Anamnese mit Miktionsanamnese (IPSS-Score), sonographische Untersuchung, wie Bestimmung des PSA-Wertes (Prostataspezifisches Antigen) und in Kombination mit der rektalen Untersuchung kann man die Ursache feststellen. Auch die Vorsorge bei dem bösartigem Prostatakarzinom mit PSA und rektaler Untersuchung als Differenzialdiagnose ist essenziell. Nur die Bestimmung des PSA-Wertes reicht hierbei nicht aus. Sie dient nur als gute Verlaufskontrolle. Der Normwert bei der PSA ist bis 4 ng/ml. Aber auch per Ultraschall kann eine genauere Diagnose gestellt werden. Ich kann immer wieder nur auf die Wichtigkeit einer regelmäßigen Prostata-Vorsorge hinweisen. Nur so kann man schon früh behandeln. Gerade bei bösartigen Prostatakarzinomen ist das umso wichtiger.
Kann man schon im Vorfeld vorbeugen?
Ja, wer ein wenig auf sein Ernährung und sein Trinkverhalten achtet und regelmäßig den Beckenboden trainiert, kann schon viel zur Vorbeugung beitragen.
Welche Methoden der Behandlung und der Resektion stehen zur Verfügung?
Im Vorfeld, wenn die Symptome noch nicht so ausgeprägt sind, versucht man über eine Verhaltenstherapie, sprich eine Umstellung der Lebensumstände, die Symptome zu verbessern. Dabei wird in der Differentialdiagnose eine Medikamentenanamnese wie Wassertabletten mit einbezogen. Auch Beckenbodentraining wird empfohlen. Sollte das zu keinem Erfolg führen, wird die Therapie mit Medikamenten wie Tamsulosin ausprobiert, ein Alpha-Rezeptorenblocker, dessen Hauptanwendungsgebiet die Therapie der benignen Prostatahyperplasie darstellt.
Wenn das alles zu keinem Erfolg führt, bleibt nur die operative Therapie. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie z. B. die offene Enukleation (Entkernung, Ausschälung) als Operationsmethode oder die Laserung mit Holmium oder Thulium. Häufig operiert man transurethral, das ist das Gold-Standardverfahren. Bei dieser Operationsmethode wird mit einer elektrischen Schlinge, die durch die Harnröhre eingeführt wird, das störende Adenomgewebe mittels Hochfrequenzstrom abgetragen. Ganz neu ist die Rezum- Wasserdampftherapie, bei der mit 103 Grad heißem Wasserdampf ein Absterben des überschüssigen Gewebes erreicht werden kann.
Heißer Wasserdampf? Wie kann man sich das vorstellen?
Diese Behandlung empfiehlt sich im frühen Stadium einer Prostatavergrößerung. Sie ist weniger schmerzhaft als die anderen Methoden. Insbesondere für jüngere Männer, die noch im Beruf stehen, eine aktive Sexualität haben und behalten wollen oder bei Patienten, die aufgrund diverser Gründe nicht operiert werden können, ist sie ideal. Hier spielt der Vorteil einer regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung eine große Rolle. Deswegen betone ich auch immer die Wichtigkeit der Vorsorge. Bei der Behandlung wir steriler Wasserdampf im gesamten Zielgewebe der Prostata freigesetzt. Sobald der Dampf wieder zu Wasser kondensiert, wird die gespeicherte Energie freigesetzt und führt zum Absterben der Zellen. Im Laufe der Zeit, werden die abgestorbenen Zellen durch den natürlichen Heilungsprozess des Körpers entfernt, wodurch die Prostata schrumpft. Weil das überschüssige Gewebe vom Körper abgebaut wird, öffnet sich die Harnröhre und dadurch verringern sich die Symptome der BPH. Fünf bis zehn Minuten dauern die Eingriffe und werden stationär abgerechnet. Die meisten Patienten haben bereits nach zwei Wochen eine Symptomverbesserung und der maximale Nutzen tritt oft innerhalb von drei Monaten ein, das ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Diese Methode wird sich in Zukunft immer weiter etablieren.
Was ist der Vorteil dieser Methode?
Die Rezum-Therapie gilt als vergleichsweise sanft und ermöglicht eine rasche Genesung, die Nebenwirkungen, wie erektile Dysfunktion sind nicht gegeben.
Was raten sie Männern ab 50?
Ich kann nur immer wieder betonen, wie wichtig die Vorsorgeuntersuchung auch bei Männern ist. Die Frauen sind uns da weit voraus. Aber auch die Männer müssen dahingehend gründlicher werden. Ein früh erkanntes Prostatakarzinom ist gut heilbar. In Deutschland ist das Prostatakarzinom beim Mann der häufigste bösartige Tumor und nach Lungenkrebs die häufigste Tumorlokalisation aller Krebssterbefälle.
In Gladbeck wird die Patientenversorgung in der urologischen Abteilung des St. Barbara-Hospitals durch Oberarzt Cajetan Nzeh und Prof. Dr. med. Bernhard Planz sichergestellt.