Außerdem ist er aufgrund seiner Tätigkeit sehr gut mit Pädagogen an Regelschulen vernetzt. Im Gladbecker Schulhaus wird qualifizierter Förderunterricht und Nachhilfe für alle Schulstufen von der Grundschule bis zum Abitur angeboten. Normalerweise findet Unterricht in kleinen Gruppen von rund fünf Schülern statt. Durch die Sicherheits- und Hygienemaßnahmen wurden die Gruppen auf maximal drei Schüler verkleinert und eine strikte Einhaltung der AHA-Regelungen ist für den Schulleiter sehr wichtig. Seit dem 15. März darf nämlich auch wieder Präsenzunterricht vor Ort stattfinden. Wir haben uns gefragt: Wie schätzt jemand die Irrungen und Wirrungen der Schulthematik in der Pandemie ein, der tagtäglich mit Schülern zu tun hat, die ohnehin mit Defiziten in der Schule zu kämpfen haben. Michael Mathes unterstützt Schüler in allen Altersgruppen und konnte sich in den vergangenen Monaten – man kann inzwischen von einem ganzen Jahr sprechen – ein Bild von der Situation verschaffen. Seine Meinung vertritt er klar: „Schüler, die bei uns Förderunterricht erhalten, haben ohnehin Probleme in der Schule. Genau diese Gruppe von Kindern und Jugendlichen haben nun zusätzliche Schwierigkeiten durch immer neue Regelungen, fehlende soziale Kontakte und digitalen Unterricht.“
Langfristige Probleme
„Eines der Hauptprobleme ist, dass sich inzwischen viele Schüler kaum noch motivieren lassen. Sie brauchen ein klares Ziel vor Augen, das hat in den vergangenen Monaten gefehlt“, erklärt Michael Mathes, der sich allerdings keine Meinung oder ein Urteil über die Entscheidungen der Bundesregierung bilden möchte. „Es gab jetzt fast ein ganzes Jahr ohne Leistungskontrollen. Den Schülern fehlt einfach eine zeitnahe Rückmeldung zu ihren Leistungen. Das kann durchaus die Note zu einer Klassenarbeit sein, für viele Schüler wären aber auch schon lobende oder konstruktive Kommentare von Lehrern wie ‚das hast du aber schon gut im Griff’ hilfreich. Diese Klassenraum-Situationen sind häufig schwierig im Distanzunterricht zu vermitteln. Das wird den Schülern ganz klar nachhängen. Deswegen finde ich es auch absolut positiv zu bewerten, dass jetzt trotz allem auch Klausuren und Klassenarbeiten stattfinden. Jeder braucht etwas, auf das er hinarbeiten kann – während eines ohnehin sehr monotonen Alltags im Lockdown.“
Doch nicht nur die schulische Entwicklung wird durch die Pandemie komplett durcheinandergebracht. Auch emotionale und charakterbildende Aspekte fallen aktuell durch das Raster. „Betrachten wir einmal die Abschlussjahrgänge, fällt auf, wie viele wichtige Meilensteine die Jugendlichen verpassen müssen. Man verabschiedet sich von seinen Schulkameraden oder gar von der Schule, ohne wirkliche Abschlussfeiern oder ähnliches mitzuerleben und emotional mit einem Kapitel abschließen zu können“, findet Michael Mathes. „Wir haben alle unterschiedliche Charaktere, entsprechend anders gehen auch die Kinder und Jugendlichen mit der aktuellen Situation um – da gibt es verschiedene Typen. Die einen sind genervt vom Homeschooling, vermissen ihre Freunde, die Gruppendynamik, aber kommen insgesamt ganz gut mit der Situation klar. Dann gibt es diejenigen, die komplett abtauchen und sich zurückziehen. Es wird erledigt, was erledigt werden muss, auf Kommunikation über digitale Wege haben sie keine Lust. Das Homeschooling wird zur Ausrede, um sich zu isolieren. Und die dritte Gruppe ist diejenige, die sagt: Ist doch alles kein Problem, läuft doch super. Diese Schüler bereiten mir ehrlich gesagt die meisten Sorgen. Warum? Ganz einfach: Sie sind an Präsenzunterricht und sozialen Kontakten im persönlichen Austausch weniger interessiert. Dabei ist besonders die Schulzeit extrem prägend für die Schüler. Hier lernen sie soziale Kompetenzen und sammeln wichtige Erfahrungen für das Leben, wie man mit verschiedenen Situationen umgeht. Dass so etwas aktuell viel zu kurz kommt, kann langanhaltende psychische Nachwirkungen mit sich bringen.“
Lehrer trifft keine Schuld
Man merkt: Natürlich ist der Aspekt von technischen Möglichkeiten beim Homeschooling wichtig, aber mindestens ebenso wichtig ist die Frage, was diese soziale Isolation mit den Kindern und Jugendlichen macht. Wenn dann noch hinzu kommt, dass ohnehin Schwierigkeiten in der Schule bestanden haben, sind diese Schüler diejenigen, die die größte Last mit sich tragen. Für Michael Mathes ist klar: „Auch die Lehrer geben sich große Mühe, Homeschoolingphasen für die Schüler so angenehm wie möglich zu gestalten, doch die Entwicklung der sozialen Kompetenzen bleibt zwangsläufig auf der Strecke. Wir müssen jetzt unbedingt die Jugendlichen im Blick behalten, die besonders stark unter der aktuellen Situation leiden.“