Fotos: aureus GmbH - Aileen Kurkowiak

Corona und die Reisebranche in Schermbeck

Die Corona-Pandemie hat ein tiefes finanzielles Loch in die Reisebranche gerissen – Sie fordern Unterstützung von der Politik.

Schermbeck - Am 1. Juli 2020 besuchte die Landtagsabgeordnete der CDU NRW-Fraktion Charlotte Quik Schermbeck, um sich im Schermbecker Reisebüro mit Inhaber Frank Herbrechter, Christoph Wrobel vom Gahlener Reiseshop, Bürgermeister Mike Rexforth und Ulrich Stiemer vom CDU Kreisverband Wesel über die Probleme der Reisebranche zu unterhalten. Im Fokus standen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Reisebranche, Wünsche, Forderungen und mögliche Umsetzungen dieser.

Viele Unternehmen und Branchen haben unter den von Bund und Land beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus gelitten. Besonders betroffen waren neben der viel diskutierten Lage in der Gastronomie und Hotellerie auch die Reisebranche, für deren Überleben Frank Herbrechter bereits im März 2020 demonstriert hatte. Charlotte Quik traf sich mit den Vertretern der Schermbecker und Gahlener Reisebranche und der kommunalen Politik, um sich vor Ort ein Bild über die Probleme zu machen. „Das Ganze fing ja schon im Februar an“, erzählt Frank Herbrechter. Als das Reiseverbot ausgesprochen wurde, wurden die Reisebüros in ein finanzielles Loch geworfen. Unverschuldet, denn die Stornierungen häuften sich, Veranstalter forderten die Provisionen zurück und sowieso blieben erwartete Buchungen aus. „Mittlerweile haben wir Millionenbeträge stornieren müssen“, sagt der Schermbecker Reiseexperte offen. Reisebüros buchen für ihre Kunden den Urlaub bei Veranstaltern und erst bei Abreise der Kunden bekommen die Reisebüros Provisionen. „Davon leben wir, aber durch die Vielzahl an Stornierungen mussten wir Provisionen zurückzahlen oder sie sind ausgeblieben, weil Reisen nicht angetreten wurden – somit gab es auch keine zu verbuchenden Abreisen“, fassen die Reiseexperten aus Schermbeck und Gahlen die Problematik zusammen. Darüber hinaus organisierten die Reisebüros auch noch Rückholaktionen, damit bereits verreiste Deutsche zurück nach Hause konnten. „Und das alles haben wir, entgegen aller politischen Behauptungen von Heiko Maas, aus eigener Kraft gestemmt und ohne finanzielle Hilfe aus der Politik“, stellt Frank Herbrechter klar. Hieße also zusammengefasst: Keine Einnahmen, ein Mehr an Arbeit, sodass Kurzarbeit nicht eingehalten werden konnte, hohe Ausgaben und noch Rückzahlungen. Das Team des Schermbecker Reisebüros musste sich aus diesem Grund verkleinern und nun sind es neben Frank Herbrechter und seiner Frau Karin nur noch zwei statt vier weiterer Mitarbeiter. „Als die Reisewarnung und das Verbot ausgesprochen wurden, haben wir Tag und Nacht arbeiten müssen. Die Lage hat sich jetzt ein wenig entspannt. Wir haben immer noch sehr viel mehr Arbeit als vorher, aber immerhin arbeiten wir jetzt nur noch bei Tag“, sagt der Reisebüroinhaber sarkastisch.

„Das Geld ist aufgebraucht“

Charlotte Quik im Gespräch mit Reisebueros. Foto: Aileen Kurkowiak

Um Unternehmen zu unterstützen, entschied die Bundespolitik zu Beginn der Krise die finanzielle Soforthilfe. Je nach Mitarbeiteranzahl kamen Unternehmern 9.0000, 15.000 oder 25.000 Euro zugute, um fehlende Einnahmen und laufende Kosten auszugleichen. Die 15.000 Euro, die das Schermbecker Reisebüro bekam, waren zwar eine große Hilfe in den vergangenen Wochen, doch gegenüber Charlotte Quik sagt er ganz klar: „Die drei Monate sind um, das Geld ist aufgebraucht.“ Ganz klar fordert Frank Herbrechter, auch im Namen seines Kollegen Christoph Wrobel vom Gahlener Reiseshop, weitere Unterstützung oder Überbrückungsmaßnahmen seitens der Politik. „Die Krise ist noch nicht überstanden!“ Zwar seien Reisewarnungen wieder aufgehoben und mit Beginn der diesjährigen Sommerferien trauten sie die ein oder anderen wieder in den Urlaub. Doch die beiden Reisebüroinhaber wissen auch, dass sich viele noch zurückhalten, was Reisen ins Ausland angeht. Charlotte Quik zeigte sich in dem Gespräch ehrlich interessiert und zeigte auch großes Verständnis für die Existenzängste der Unternehmer. Eine definitive Antwort konnte sie zum Zeitpunkt des Gesprächs zu weiteren Unterstützungsmaßnahmen seitens der Politik nicht geben: „Es gibt viele Gespräche und Ideen zu weiteren Unterstützungsmaßnahmen, doch wir als Landtag müssen, wie alle anderen auch, auf die Entscheidungen des Bundes warten. Ich würde gerne positive Aussichten mitbringen, das kann ich aber noch nicht, da wir keine offiziellen Informationen haben.“

Doch eine Bundestagsentscheidung vom 8. Juli durch Wirtschaftsminister Peter Altmaier ermöglicht es Reisebüros nun, eine Überbrückungshilfe zu beantragen. Diese muss aber, anders als die Soforthilfe, durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vorgenommen werden und das durch eine Freischaltung über ein offizielles Onlineportal. „Das ist alles nicht so einfach und auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wollen bezahlt werden. Das heißt also, es könnte auch sein, dass Reisebüros wieder Geld investieren müssen, ohne am Ende etwas zu bekommen. Das Schermbecker Reisebüro hat die Überbrückungshilfe aber direkt beantragt und wir warten nun auf eine hoffentlich positive Rückmeldung”, erzählt Frank Herbrechter. Die Überbrückungshilfe gleicht allerdings nur die ausbleibenden Provisionen durch Pauschalreisen aus. „Das Geld muss auch nicht zurückgezahlt werden und da wir auch kein Geheimnis daraus machen, dass Corona ein tiefes finanzielles Loch in die Kassen gerissen hat, nehmen wir jegliche Hilfe dankend an”, betont der Reisebüroinhaber. Die Antragsfrist für die Überbrückungshilfe läuft noch bis zum 31. August, erst danach wird das Schermbecker Reisebüro weitere Informationen dazu veröffentlichen können.

Ein weltweit einzigartiges Konstrukt

Doch es sind nicht nur die Reisebüros alleine, die unter der Situation leiden. Viele Reisebüros haben Partner, wie das Schermbecker Reisebüro mit Schifffahrtsgesellschaften wie A-ROSA oder der Gahlener Reiseshop mit dem Busunternehmen BOKA TOURS. Bürgermeister Mike Rexforth weiß um die Bedeutung der Touristikbranche für jede einzelne Gemeinde und Stadt. „Örtliche Gastronomen und Hoteliers haben ebenso hohe Verluste durch das Reiseverbot gehabt. Die Gastronomie kommt langsam aus diesem Tief wieder heraus, doch es gibt zahlreiche kulturelle Einrichtungen und Hotels, die weiter ums Überleben kämpfen müssen“, sagt er. Schon zu Beginn der Corona-Krise hatte der Bürgermeister im Gespräch mit unserer Redaktion erwähnt, dass er Sorge habe, dass nicht jedes Schermbecker Unternehmen die Corona-Krise schaffen könnte. Trotz Öffnungen, Lockerungen und der langsamen Rückkehr zur Normalität, ist nicht sicher, dass es alle auch überleben werden. Und dessen ist sich auch der Bürgermeister bewusst.

Dennoch lobte Mike Rexforth die „Gesamtstrategie des Landes“, wie er sagt. Auch im Reiseverbot sieht der Bürgermeister positive Aspekte: „Das schützte uns wenigstens vor Neuinfektionen. Aber nun müssen wir auch an die Leidtragenden denken – das sind all die Unternehmen, die durch Reisen und Tourismus ihr Geld verdienen.“ Daher plädierte auch er für Überbrückungsmaßnahmen für die Betroffenen. „Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Es müssen Sonderlösungen gefunden werden“, forderte der CDUler im Gespräch am 1. Juli.

Deutschland als Urlaubsland

Damit die Reisebüros wieder auf die Füße kommen, appellieren Frank Herbrechter und Christoph Wrobel an die Reiselust für das eigene Land. „Wir wissen, dass die meisten Inlands-Urlauber ihre Reisen in der Regel nicht im Reisebüro buchen. Aber wir haben tolle Angebote und Pakete für Inlandsreisen“, verrät Christoph Wrobel. „Wir bieten unter anderem Fahrradurlaube an. Eine Woche an der Nordsee mit dem Fahrrad über die Deiche fahren, beispielsweise“, sagt Frank Herbrechter. Charlotte Quik musste hier zugegeben: „Das wusste ich bislang auch nicht. Aber es sind schöne Urlaube, die wir quasi vor der eigenen Haustür verbringen können.“ Doch nicht nur die beiden Reisebüroinhaber, sondern auch die CDU NRW Landtagsabgeordnete und der Bürgermeister rufen alle zu Urlauben im Inland auf. „Wir müssen lokale Unternehmen, wie die Gastronomie und Hotellerie sowie die eigene Wirtschaft stärken. Es sind große Synergieeffekte, die von ausbleibenden Reisen ausgehen und die Wirtschaft damit schwächen. Wir alle müssen als Einzelpersonen, Stadt, Dorf oder Gemeinde unseren Teil dazu beitragen, die Lage wieder zu stabilisieren“, betont der Bürgermeister. // jl

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